Man kann sich über und für jede der Geiseln freuen, die aus der Gefangenschaft in Putins und Lukaschenkos Kerkern freikommen. Sie saßen dort nicht, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird.
Sie waren unter fadenscheinigen Vorwänden festgenommen und in Prozessen, die rechtsstaatlichen Prinzipien hohnsprachen, nur zu dem einem Zweck verurteilt worden: damit Putin Menschen hat, die er gegen im Westen inhaftierte Handlanger seines Regimes eintauschen kann.
Wer sich als erpressbar erweist, wird weiter erpresst werden
Der Preis, den die westlichen Demokratien, darunter auch Deutschland, für die Befreiung ihrer Bürger und russischer politischer Gefangener zahlen, ist jedoch so hoch, dass die Freude nicht lange währen kann. Die Freilassung eines verurteilten Mörders, der nach Feststellung des Gerichts im Auftrag Moskaus in Berlin einen Tschetschenen erschossen hatte, quält jedes Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden.
Aber auch rein realpolitisch betrachtet ist dieser Handel ein verhängnisvoller Fehler. Er verstößt gegen die oberste Regel im Umgang mit Geiselnehmern, die lautet: Niemals deren Forderungen erfüllen. Wer sich als erpressbar erweist, wird weiter erpresst werden, vom selben Erpresser oder von anderen.
Putin kann neue Geiseln nehmen
Auch im Falle Putins hat sich das schon bewahrheitet. Der Austausch des Waffenhändlers But gegen die amerikanische Sportlerin Griner und die Verhandlungen über Nawalnyj hatten dem Kreml gezeigt, das alles nur eine Frage des Preises ist – in Form von Menschen. Also nahm das Putin-Regime mehr Geiseln.
Auch nach dem jetzigen Austausch, der in Moskau als großer Erfolg gegen den weichen Westen gefeiert werden wird, hindert niemand Putin daran, sich neue Geiseln zu besorgen oder von ihm freigelassene Gefangene später zu beseitigen, wie das bei Skripal mit Nowitschok versucht worden ist.
Dem Kreml wird es nicht schwer fallen, weitere Agenten zu finden, die bereit sind, im Westen für ihn zu morden. Denn nun weiß jeder, dass Putin seine Killer nicht im Stich lässt, sondern alles tut, um sie heimzuholen. Und dass selbst der Rechtsstaat Deutschland dabei mitspielt.