Netanjahu wurde Ende 2019 wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensbruchs angeklagt. Rund viereinhalb Jahre nach dem Prozessbeginn im Mai 2020 hat nun die Aussage des 75 Jahre alten Politikers begonnen. Bis zuletzt hatten politische Verbündete immer wieder gefordert, sie zu vertagen. Das Bezirksgericht Jerusalem hatte die Aussage aufgrund von Sicherheitsbedenken Netanjahus in einen bombensicheren unterirdischen Raum im Bezirksgericht Tel Aviv verlegt.
Dort führte Netanjahu am Dienstag aus, welchen hohen persönlichen Preis er für sein politisches Engagement bezahle. Er arbeite rund um die Uhr, schlafe wenig, esse am Schreibtisch und habe praktisch keine Zeit für seine Familie.
Kritik, wie sie in Israel „noch niemand jemals ausgesetzt war“
Zudem sei er seit Jahren Opfer massiver Verfolgung seitens der Medien ausgesetzt, behauptete Netanjahu: „Ich habe Kritik und Angriffe, Beleidigungen, Verleumdungen und Lügen in einem Ausmaß ertragen, dem nur sehr wenige Menschen ausgesetzt waren und dem in Israel noch niemand jemals ausgesetzt war.“ Zugleich antwortete er auf eine Frage seines Verteidigers, die Vorwürfe ließen ihn kalt: „Wenn ich sage, dass das ein Tropfen auf den heißen Stein ist, wäre das eine Übertreibung. Ich bin mit Angelegenheiten von globaler Bedeutung beschäftigt.“
Den Anklagepunkten zufolge haben Netanjahu und seine Frau Sara sich über Jahre von befreundeten Milliardären teure Geschenke machen lassen, etwa Champagner und Zigarren; im Gegenzug erwies Netanjahu ihnen Gefallen. Zudem soll Netanjahu seine Stellung dazu genutzt haben, zwei Unternehmern Vorteile auf dem israelischen Medienmarkt zu verschaffen. Dafür hätten sie ihm freundliche Berichterstattung zugesichert.
Netanjahu sagte am Dienstag, „95 bis 98 Prozent“ der israelischen Medien seien extrem für die politische Linke voreingenommen. „In keiner Demokratie, vielleicht in keinem Land der Welt gab es jemals so voreingenommene Medien wie in Israel.“ Er habe versucht, mehr Diversifizierung zu schaffen und ausländische Investoren ins Land zu holen.
Mit Blick auf die Anklagepunkte erläuterte Netanjahu, er habe bisweilen Schriftstücke unterzeichnet, die seine Mitarbeiter ihm nicht ausreichend erklärt hätten. Die Nachrichtenseite „Walla! News“, auf deren Berichterstattung er Einfluss genommen haben soll, bezeichnete er als völlig unbedeutend. Gegenüber den drei Richtern beschwerte Netanjahu sich, dass die Anklage versuche, das völlig normale Verhältnis zwischen Politikern und Medien zu kriminalisieren. Es wird erwartet, dass seine Aussage noch mehrere Wochen dauert.