Die an Eigentümlichkeiten reiche Geschichte des Versuchs, die Cum-ex-Affäre in Hamburg aufzuklären, hat eine neue Wendung genommen. Zwei Laptops mit E-Mails unter anderem von Vertrauten des früheren Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) darauf sind verschwunden, so zumindest die Sicht der Opposition.
Um die Daten war monatelang zwischen Hamburg und Nordrhein-Westfalen gestritten worden. Sie sollen helfen, die Rolle von Scholz in Bezug auf die Steuergeschäfte einer Hamburger Privatbank aufzuklären. Die Hamburger Steuerverwaltung soll einst nach Gesprächen des Warburg-Bankiers Christian Olearius mit Scholz darauf verzichtet haben, 47 Millionen Euro von der Bank zurückzufordern, die auf illegalen Cum-ex-Steuererstattungen beruhten.
Die Daten, um die es nun geht, waren von Staatsanwälten aus Köln sichergestellt worden. Vor einigen Wochen waren sie von Düsseldorf an den Untersuchungsausschuss geschickt worden, gespeichert auf zwei schwarzen Laptops. Inhalt: rund 731.000 E-Mails, darunter das Postfach des heutigen Hamburger Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) sowie Postfächer von Vertrauten seines Vorgängers Scholz, etwa von dessen Büroleiterin. Rasch bezweifelte die SPD, ob es datenschutzrechtlich konform sei, die E-Mails auszuwerten – nicht alle Schreiben seien schließlich beruflicher Natur. Folglich einigten sich die Obleute des Ausschusses Mitte Oktober darauf, zu prüfen, wie die Auswertung erfolgen solle.
USB-Sticks aus Köln
Gelagert wurden die Geräte in einem für besondere Dokumente vorgesehenen Tresor im gesicherten Aktenraum des Untersuchungsausschusses. Doch seit rund zwei Wochen sind sie weg. Die „WAZ“ und der „Stern“ hatten zuerst darüber berichtet. Wo sich die Geräte befänden, sei unklar, sagt dazu der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Richard Seelmaecker. Sie seien ohne Rücksprache entfernt worden.
Die SPD widerspricht der Darstellung. „Die Laptops sind nicht weg, die sind beim Arbeitsstab“ des Untersuchungsausschusses, sagt ein Sprecher. Der Leiter des Arbeitsstabs, Steffen Jänicke (SPD), habe sie an sich genommen. Wo sich die Laptops genau befänden, könne er aber leider nicht sagen, so der Sprecher. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Mathias Petersen (SPD), teilt dazu mit, die Laptops würden so wie bisher im Arbeitsstab unter Einhaltung der gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften gelagert.
Die Laptops seien bislang zwei Wochen in „SPD-Hand“ gewesen, sagt CDU-Obmann Seelmaecker dazu. Wohl niemand wäre so dumm, die Daten zu manipulieren. Doch sei unklar, was die SPD damit gemacht habe. An der Aufarbeitung des Falls aber werde das alles nichts ändern, so Seelmaecker. Allerdings verläuft die Aufklärung bisher sehr zäh. Innerhalb von rund drei Jahren wurden viele Zeugen gehört, darunter zweimal Scholz. Dieser hatte einen Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Bank verneint, an vielen Stellen aber Erinnerungslücken geltend gemacht. Ende November wird ein umfangreicher Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses vorgestellt – er dürfte wieder einmal sehr unterschiedliche Sichtweisen beinhalten.
Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen die Hamburger Finanzbeamtin Daniela P. sowie gegen ehemalige SPD-Politiker, unter anderen Johannes Kahrs, wegen des Anfangsverdachts der Begünstigung. Lange hatte der Untersuchungsausschuss Informationen aus den laufenden Ermittlungen angefordert, jedoch keine Antwort erhalten. Zwischenzeitlich drohte dem Land Nordrhein-Westfalen aufgrund der Untätigkeit sogar eine Klage. Der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) entsandte eine erste Delegation nach Hamburg und lieferte USB-Sticks. Jedoch waren die Mitglieder des Ausschusses unzufrieden mit Umfang und Inhalt. Die auf den beiden Laptops gespeicherten Daten wurden erst danach von den Ermittlern in Köln freigegeben.