An der Energiebilanz der Gebäude führt kein Weg vorbei, um die Treibhausgasemissionen in Deutschland zu senken. Trotz vielen Fördergeldes ist jedoch wenig geschehen. Jedenfalls hat der Gebäudebereich in den vergangenen beiden Jahren die von der Politik gesteckten Reduktionsziele verfehlt, die das Bundesklimaschutzgesetz vorgibt. Schon länger will die Bundesregierung die Zahl der Sanierungen erhöhen, damit sich die Klimabilanz der Häuser verbessert. Allerdings ist die Sanierungsrate gering und nimmt nun sogar weiter ab.
Eine neue Untersuchung beziffert die Quote energetischer Sanierungen in Deutschland noch auf 0,72 Prozent zum Jahresende. Das geht aus der Marktdatenstudie der B + L Marktdaten Bonn im Auftrag des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle hervor, die demnächst erscheint und der F.A.Z. vorab vorliegt. Verbandspräsident Jan Peter Hinrichs sieht die Sanierungsquote in Deutschland im freien Fall. „Die Politik muss jetzt energisch eingreifen, um dem Abwärtstrend entgegenzuwirken“, sagt er. Hinrichs fordert dafür verlässliche Förderbedingungen für die Bürger und ausführenden Handwerksbetriebe.
Um die Klimaziele im Jahr 2030 für den Gebäudesektor zu erreichen, sei demnach eine Sanierungsquote von 2 Prozent nötig. Im ersten Halbjahr kam die Quote laut dem Bonner Marktforschungsinstitut auf 0,83 Prozent nach 0,88 Prozent im Jahr 2022. Nun ist der Wert weiter gesunken. Mit einer Sanierungsrate von einem Prozent würde es rechnerisch hundert Jahre dauern, um alle Häuser zu renovieren.
„Jedes Haus benötigt andere Lösungen“
Generell ist an vielen Stellen zu hören, dass die Zahl der Sanierungen sowie auch die Zahl der Heizungsumstellungen zurückgeht. Als Gründe gelten dafür die gestiegenen Kosten, die Konjunktursorgen und auch Unsicherheit über staatliche Förderungen. Alexander Steinfeldt, Fachmann der Beratungsgesellschaft CO2online, führt vor allem die Frage der Förderung an: „Hauseigentümer haben ihre Sanierungsentscheidungen dieses Jahr aufgehoben oder warteten ab, da unklar war, welche Heizungen ab dem nächsten Jahr erlaubt sein würden und welche Förderung es geben wird.“
Zum Start einer Sanierung rät Steinfeldt zur fachlichen Hilfe. „Jedes Haus ist unterschiedlich und benötigt andere Lösungen“, sagt er. Ein unabhängiger Energieberater könne vor Ort den energetischen Zustand des Gebäudes bestimmen und individuelle Maßnahmen vorschlagen: Soll teilweise oder komplett saniert werden? Was ist in welcher Reihenfolge umzusetzen, und welcher Energieträger soll zum Einsatz kommen? Hauseigentümer sollten prüfen, welches Bauteil als Nächstes renoviert oder instand gesetzt werden muss. Müsse das Dach neu eingedeckt oder die Fassade erneuert werden, würden sich laut Steinfeldt die Mehrkosten für die energetische Sanierung am schnellsten rentieren.
Verbandsvertreter Hinrichs lobt energetische Sanierungen als Mittel der Wahl angesichts der angespannten Haushaltslage, was künftig die CO2-Bilanz des Gebäudebestands verbessert. Außerdem blieben Investitionen für die Fassade, Dach und Fenster überwiegend im heimischen Wirtschaftskreislauf. Die Sanierungsquote von derzeit 0,72 Prozent gilt für jede Form von Sanierungen an Gebäuden in den Bereichen Dach, Fassade und Fenster. Laut dem Verband liege auf Grundlage der Erfahrungen die tatsächliche Quote für energetische Sanierung noch rund ein Fünftel unter der ermittelten Sanierungsquote.
Für energetische Sanierungen haben Eigentümer im vergangenen Jahr rund 67 Milliarden Euro ausgegeben. Das ergab eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in Kooperation mit dem Baudienstleister Heinze im August. Dabei sollen jeweils rund 20 Milliarden Euro in die Dämmung von Dach, Keller und Außenwänden aller Gebäude in Deutschland gegangen sein sowie in die Erneuerung von Fenstern und Außentüren. Die Ausgaben für neue Heizungsanlagen und Klimatechnik lagen mit fast 25 Milliarden Euro höher. Inflationsbereinigt investierten die Eigentümer jedoch in allen drei Bereichen zwischen 10 und 20 Prozent weniger als im Jahr 2011. Laut den Studienautoren lag dies auch daran, dass Kapazitäten in der Bauwirtschaft gefehlt haben. Dadurch, dass nun weniger Neubauten entstehen, könnten mehr Ressourcen für Sanierungen entstehen.
Manche Förderung ist gestoppt
Hinter mancher Förderung des Staates steht derzeit ein Fragezeichen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat wegen der Ausgabensperre im Bundeshaushalt neun Förderprogramme vorläufig auf Eis gelegt: Gestoppt sind damit neue Zahlungen für Wärmenetze, Gebäudeenergieberatungen, Wärmepumpen, serielle Sanierungen, klimafreundliche Kältemittel, E-Lastenräder sowie bei Bürgerenergiegesellschaften für Windräder. Anträge hierzu würden nicht mehr bewilligt oder angenommen. Projekte mit erteilten Förderzusagen könnten weiterverfolgt werden. Nicht betroffen von der Antragspause sind die Programme für E-Autos und die Bundesförderung für effiziente Gebäude.
Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro Corona-Krediten im Bundeshaushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld sollte nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun sucht die Bundesregierung nach neuen Finanzierungswegen.