Xiaomi macht aus dem Mobile World Congress (MWC) auch 2024 seine eigenen Festspiele. Die Chinesen eröffnen sie inoffiziell wie voriges Jahr am Sonntag, also einen Tag vor der eigentlichen Messe, exakt an jenem Ort, an dem Samsung jahrelang sein Flaggschiff vorstellte. Nun ist Xiaomi noch lange nicht Samsung. Aber vielleicht wollen sie langfristig auch ein Unternehmen werden, das eine Vielzahl von Produkten anbietet und den Mobilitätsbegriff weit interpretiert.
So haben die Chinesen für ihre Bühnenpräsenz mehr mitgebracht als ihr neues Smartphone-Flaggschiff. Auf der Bühne des Kongresszentrums im Osten von Barcelona betraten zwei Smartphones, zwei Uhren, ein Tablet und ein Sportband zusammen mit Xiaomi-Chef William Lu die Bühne. Auf dem Stand der Messe steht von Montag an ein Elektroauto im Mittelpunkt: Xiaomi SU7.
Alles an Technik hineingesteckt
Die Masse der Xiaomi-Interessierten dürfte das neue Smartphone-Flaggschiff am meisten interessieren. Das 14 Ultra ist neben dem Magic 6 Pro, das Honor am gleichen Tag in Barcelona vorgestellt hat, und dem nur ein paar Wochen alten S 24 Ultra von Samsung, das Beste, was der Markt für Androidgeräte momentan zu bieten hat. Wie Samsung mit dem S 24 Plus bietet Xiaomi mit dem 14 ein Modell an, das immer noch top, aber nicht so teuer ist und technisch nicht alles ausreizt. Genau das tut das 14 Ultra. Voraussetzung für komplexe Hard- und Software in einem Smartphone ist die neueste Generation der Prozessoreinheit. Deswegen steckt in beiden Geräten von Xiaomi der Snapdragon 8 Gen 3 von Qualcomm.
Wie seit vielen Jahren in der Branche üblich schicken auch die Chinesen ihre Kamera vor, um vom Publikum die größte Aufmerksamkeit zu bekommen. Xiaomi hat seit zwei Jahren für diese Disziplin einen Verbündeten. Leica gibt nicht nur seinen Namen her, sondern arbeitet mit den chinesischen Ingenieuren zusammen, um eine Kamera für ein Smartphone zu entwickeln, die Hobby-Fotografen locken soll. Summilux-Optik nennen sie das Ergebnis des gemeinsamen Projektes.
Zu übersehen ist das nicht. Die Rückseite dominiert ein mächtiges, kreisrundes Modul, in der die Kamera mit den vier Objektiven und der Doppel-LED-Leuchte eingelassen sind. Die technischen Details versprechen in der Tat anspruchsvolle Bilder mit flexiblen Möglichkeiten. Die Brennweite der vier verschiedenen Objektive reicht von 12 Millimeter des Ultraweitwinkels bis 120 Millimeter des Periskop-Moduls. Die Blende der Hauptkamera öffnet sich stufenlos von f/1.63 bis f/4.0. Der Bildsensor ist ein Zoll groß. Alle Objektive lösen mit bis zu 50 Megapixeln auf. Wie schon beim Vorgänger zeichnet sich die Software dadurch aus, dass sie das eingefangene Licht in unterschiedlichen Stilen erscheinen lässt, die der Nutzer auswählen kann. Natürlich gibt es ebenso einen Profi-Modus, in dem sich viele Parameter händisch einstellen lassen.
Ein bisschen Leica-Feeling
Auf den ersten Blick attraktiv und spannend, im täglichen Gebrauch aber vielleicht zu vernachlässigen, wirkt das Photography Kit für 200 Euro. Steckt man diesen Griff an das untere Ende des Xiaomi 14 Ultra, wandelt sich das Smartphone zu einer Kamera, wenn man es waagerecht hält. Da es ebenso wie das Smartphone aus einer lederartigen Oberfläche und Aluminiumrahmen besteht, soll der Eindruck entstehen, als hätte man eine Leica-Kamera in der Hand. Dieses Gefühl dürfte nur bei all jenen entstehen, die noch nie eine Leica-Kamera in der Hand hatten.
Mit dem Photography-Kit schießt man wie mit einer Kompaktkamera mit einem zweistufigen Auslöser die Fotos, mit einem Hebel zoomt man sanft hinein oder hinaus, für Videos wartet eine Extra-Taste, ein kleines Rad führt direkt zu bestimmten Einstellungen. Weil vermutlich noch Platz im Griff war, hat Xiaomi einen Akku mit einer Kapazität von 1500 Milliamperestunden eingebaut, der den des Smartphones ergänzt. Der ist mit 5000 Milliamperestunden ohnehin schon ziemlich üppig.
Anschauen lassen sich die Bilder zum einen auf dem großen Amoled-Bildschirm mit einer Diagonale von 6,73 Zoll, der mit 3200 x 1440 auflöst, eine sich dem Inhalt anpassende Bildwiederholfrequenz von 1 bis 120 Hertz hat und eine Helligkeit von 3000 Nits erreicht. Alternativ kann für solche Zwecke wie Bildbearbeitung auch das neue Xiaomi Pad 6S Pro als Monitor dienen, das auf 12,4 Zoll kommt. Wie andere Hersteller auch hat Xiaomi sein Betriebssystem Hyper OS so angepasst, dass der Austausch zwischen den Geräten möglichst einfach geschehen kann. Als ein solches Gerät ist auch das neue Elektroauto SU7 zu sehen, denn dessen Software setzt ebenfalls auf Hyper OS auf.
Wandelt sich in eine Kompaktkamera
Während das Xiaomi 14 mit einem Preis von 1000 Euro für 12 Gigabyte Arbeitsspeicher und 256 Gigabyte internem Speicher für viele potentielle Käufer schon an der Schmerzgrenze liegen dürfte, schreckt der Preis des 14 Ultra vermutlich einige Kunden ab. 1500 Euro verlangen die Chinesen für ihr Flaggschiff, immerhin mit 16 Gigabyte Arbeitsspeicher und 512 Gigabyte internem Speicher. Wer vorbestellt, bekommt für einen gewissen Zeitraum das Photography Kit für 200 Euro im Bundle geschenkt.
Das ist insofern attraktiv, weil sich das Xiaomi 14 Ultra ohne diesen Aufsatz letztlich nur einreiht ins Oberklassesegment der Android-Konkurrenz, die mit ähnlichen Top-Eigenschaften punktet bei Kamera, Bildschirm oder Akku. Lediglich mit der Verwandlung des Smartphones in eine Kompaktkamera setzt sich Xiaomi von der Konkurrenz ab. Bleibt die Frage, wer das braucht.