Das Auswärtige Amt hat erstmals seit dem Sturz des syrischen Gewaltherrschers Baschar al-Assad Diplomaten nach Damaskus geschickt, um die Lage vor Ort zu sondieren und direkten Kontakt zu Vertretern der von den neuen Machthabern eingesetzten Übergangsregierung aufzunehmen. Die vierköpfige Delegation um den Nah- und Mittelostbeauftragten des Ministeriums Tobias Tunkel erreichte die syrische Hauptstadt am Dienstagmorgen. Dort sollte Tunkel am Nachmittag Ahmed al-Scharaa, den Führer der Islamistenmiliz Hay’at Tahrir al-Scham (HTS), der auch unter seinem Kampfnamen Abu Muhammad al-Golani bekannt ist, treffen.
Davor stand auch ein Gespräch mit dem von al-Scharaa eingesetzten faktischen Außenminister an, das gut verlaufen sein soll. Auch das Gelände und die Gebäude der verlassenen deutschen Botschaft wurden besichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass diese kompromittiert sein dürften, also mindestens verwanzt. Deutschland ist seit 2012 nicht mehr diplomatisch vertreten in Damaskus.
Aufhebung von EU-Sanktionen
„Soweit man das überhaupt schon sagen kann, agieren sie bisher umsichtig“, sagte die Sprecherin. „Wie unsere internationalen Partner werden wir sie an ihren Taten messen.“ Jede Zusammenarbeit setze voraus, dass Minderheiten geschützt und die Rechte von Frauen geachtet würden. Das gehört auch zu einem der Kernpunkte eines Acht-Punkte-Plans zum Umgang mit der Situation in Syrien, den das Auswärtige Amt vergangene Woche aufgestellt hatte.
Die Mission der deutschen Diplomaten ist einer von mehreren Besuchen von westlichen Delegationen in diesen Tagen in Damaskus. Erst am Montag hatte schon der Leiter der EU-Delegation für Syrien, der deutsche Diplomat Michael Ohnmacht, erste Gespräche in Damaskus geführt. Ohnmacht habe die Vertreter mehrerer Parteien getroffen, darunter auch HTS-Rebellen, und ebenfalls den faktischen Außenminister des Landes, hieß es im Auswärtigen Dienst der Union.
Die Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach am Dienstag von „konstruktiven ersten Kontakten“. Die EU sei bereit, ihre diplomatische Vertretung in Damaskus wiederzueröffnen, damit sie dort voll arbeiten könne. Bisher waren die Mitarbeiter in Beirut stationiert, es gab keinen in Damaskus akkreditierten Botschafter mehr. Auch aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Möglichkeiten einer diplomatischen Präsenz sollten in Damaskus ausgelotet werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte in einem Schreiben an die Mitglieder des Europäischen Rats ein verstärktes finanzielles Engagement für Syrien und die Nachbarstaaten in Aussicht. „Beginnend mit der Wiederherstellung der grundlegenden Dienste, könnten wir die Aktivitäten ausweiten, die wir bereits in Syrien finanzieren, einschließlich des Zugangs zu Gesundheit, Schulbildung und Energie- und Wasserversorgung“, hieß es darin. Wenn klar sei, wie das Land regiert werde, könne man auch über Wiederaufbauprojekte reden.
Zudem wird in Brüssel diskutiert, unter welchen Umständen die Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden können, die gegen Finanzierungsquellen des Assad-Regimes verhängt worden waren. Das betrifft insbesondere die Förderung von Öl und Gas, den Bau von Kraftwerken zur Stromerzeugung und den Flugverkehr. Von der Leyen sagte am Dienstag, Erleichterungen seien nur möglich, wenn es „echte Fortschritte“ gebe. Am Vortag hatten einige EU-Außenminister dafür geworben, die Aufhebung mit dem Ende der russischen Militärpräsenz in Syrien zu verknüpfen. Am Donnerstag wird der Europäische Rat über die Lage beraten.