Als es vollbracht war und sie nicht mehr fürchten mussten, dass ihnen der Gegner den Sieg würde streitig machen können, mobilisierten die Spielerinnen noch einmal ihre verbliebenen Kräfte: zum gemeinsamen Jubel. Die deutschen Fußballfrauen haben sich mit einer Energieleistung ein Glückserlebnis verdient, das ihnen in wenigen Monaten die ersehnte Gelegenheit einräumt, auf der großen Sport-Bühne um Medaillen wetteifern zu dürfen. Sie setzten sich in Heerenveen gegen die Auswahl der Niederlande 2:0 durch. Damit sicherten sie sich im kleinen Finale der Nations League den dritten Platz. Ein Prestigeerfolg, der vor allem deswegen so viel Freude unter den Beteiligten auslöste, weil er verbunden ist mit dem Startticket für die Olympischen Spiele in Paris. Die Elf von Bundestrainer Horst Hrubesch qualifizierte sich durch das Resultat als zehntes Team für das Turnier, an dem insgesamt zwölf Nationen teilnehmen werden und bei dem das Endspiel am 10. August erstmals den weithin beachteten Schlusspunkt unter das Fußballprogramm der Sommerspiele setzen soll.
Dass sie auf einen Konkurrenten treffen würden, der ihnen mit großer Leidenschaft alles abverlangen wollte, war den Deutschen nach ihrer Ankunft aus Lyon, wo sie fünf Tage zuvor im Halbfinale 1:2 gegen Frankreich verloren hatten, endgültig bewusst geworden. Mit „do oder die“, sprich: alles oder nichts, waren die Motivationsbotschaften überschrieben, mit denen das heimische Ensemble unter seinen Fans für Unterstützung warb. Fast 20.000 Zuschauer kamen am Mittwoch ins Abe-Lenstra-Stadion, wobei die überwiegende Mehrheit, die unüberhörbar den Frauen von Bondscoach Andries Jonker zugetan war, einen Abend erlebte, der nicht ihrem Geschmack entsprach: Die Niederländerinnen setzten kaum Akzente, während es Hrubeschs Team über eine resolute Zweikampfführung gelang, im Mittelfeld die Hoheit zu erlangen und die Bälle von dort oft mit Ruhe nach vorne zu verteilen.
Lange viel Aufwand und wenig Ertrag
Der 72-Jährige orientierte sich bei seiner Startaufstellung an der Formation, die er zuvor in der zweiten Halbzeit gegen „Les Bleues“ aufgeboten und die dabei in vielen Szenen Schwung entwickelt hatte. Hrubesch sprach von einem Festhalten an der Doppelspitze, wobei Sydney Lohmann ihren Part versetzt zu Alexandra Popp deutlich zurückgezogener aus dem offensiven Mittelfeld heraus ausfüllte. Beide wechselten oft die Positionen, um mit Läufen in die Tiefe des Raumes ihre Bewacherinnen auseinanderzuziehen und Lücken in der Defensivkette aufzutun. Doch Lohmann tat sich schwer, den Ball zu behaupten. In der Pause beendete Hrubesch den Versuch und ersetzte Lohmann durch Lea Schüller, die dann in vorderster Reihe Popp unterstützte.
Ein Schachzug, der sich bezahlt machte. Ein mit Effet getretener Freistoß von Klara Bühl hätte die Niederländerin Caitlin Dijkstra beinahe früh zu einem Eigentor verlängert (12.), ehe Brands Abschluss zu unplatziert geriet, um Daphne van Domselaar zu überwinden (20.). Sjöke Nüskens Schuss prallte zudem an den Pfosten (25.) und Giulia Gwinn verstolperte in aussichtsreicher Position einen Konter (39.). Zudem landete ein Kopfball von Popp in den Händen der Keeperin (43.). Kurzum: Der Aufwand der Deutschen stand zunächst in keinem befriedigenden Verhältnis zum Ertrag. Wenn auf der anderen Seite ein Ansatz von Gefahr entstand, hatte stets Lineth Beerensteyn in ihrem 100. Länderspiel für die Niederlande ihre Füße im Spiel; um die Kreise der betriebsamen Angreiferin von Juventus Turin einzuengen, erhielt Kathrin Hendrich Unterstützung von Lena Oberdorf oder Marina Hegering.
Auch nach dem Seitenwechsel änderte sich an den Verhältnissen nichts: Die Deutschen bestimmten Takt und Tempo, sie blieben beharrlich. Und ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus, denn die Zielstrebigkeit ihrer Aktionen im letzten Drittel führte sie ans Ziel: Oberdorf, die über die komplette Dauer ihren Verteidigungsauftrag angriffslustig interpretierte, leistete dazu die Vorarbeit als zweimalige Vorlagengeberin, die Klara Bühl in letzter Konsequenz im Strafraum aus kurzer Distanz zum 1:0 verwertete (66.). Auch weil sie danach nicht in den Verwaltungsmodus schalteten, sondern aktiv blieben, entfachte Hrubeschs Truppe einen anhaltenden Druck, dem die Niederländerinnen nach dem 2:0 durch Schüller (78.) nichts mehr entgegenzusetzen hatten – und so mitansehen mussten, wie die Deutschen die Arena zum Verstummen brachten und nach dem Schlusspfiff dann umso lauter selbst frohlockten: Olympia kann kommen!