Die Menschheit hat noch andere Vorfahren und biologische Verwandte als Neandertaler. Zum Beispiel dieses seltsame Meerestier.
Die Menschheit mag sich scheinbar die meiste Zeit über für einzigartig halten. Aber auch wir haben evolutionstechnische Vorfahren und Verwandte, mit denen wir einige anatomische oder genetische Eigenschaften verbinden. Laut einer neuen Studie gibt es sogar Ähnlichkeiten zwischen uns und einem recht ungewöhnlichen Geschöpf im Meer.
Menschen ähneln recht ungewöhnlichem Meeres-Geschöpf
Denkt man an den erdgeschichtlichen Werdegang der Menschheit, fallen vielen in erster Linie unsere unmittelbaren Vorfahren wie die Neandertaler ein oder Primaten. Wie aber Forscherinnen und Forscher des „Stowers Institute for Medical Research“ im US-Bundesstaat Missouri herausfanden, gibt es aber auch eine Überschneidung mit Meerneunaugen.
Diese kieferlosen Wirbeltiere leben zumeist in Küstennähe und verfügen über eine Art zahnbewährten Saugnapf als Mund. Sie sehen nicht im Entferntesten wie Menschen aus, liefern aber einen unerwarteten Hinweis auf die Entwicklung des Gehirns bei Lebewesen. Dabei kommen überraschend dieselben Gene und Mechanismen zum Einsatz.
Auch spannend: Meerneunaugen überraschen als Vorfahren. Aber auch unser menschlicher Stammbaum ist einem archäologischen Fund nach verzweigter als gedacht.
Parallelen bei der Gehirnentwicklung
Die Existenz des Menschen auf der Erde ist seit etwa 300.000 Jahren fossil belegt. Meerneunaugen hingegen gibt es laut „New Atlas“ etwas 500 Millionen Jahre – wie soll es da eine Verwandtschaft geben? Tatsächlich hat es vor dieser langen Zeit eine Aufspaltung in der Entwicklung der Wirbeltiere in Lebewesen mit Kiefern und ohne gegeben, wie die federführende Wissenschaftlerin Alice Bedois erklärt.
Im Zuge dessen wollte das Forschungsteam herausfinden, ob es einzigartige Unterschiede zwischen ihnen gibt. Dabei schaute es sich vor allem das Gehirn an. Zuvor fand man heraus, dass die Gene, die die Struktur des Rautenhirns bei den kieferlosen Meerneunaugen regulieren, mit denen bei kieferbehafteten Wirbeltieren identisch sind – inklusive Menschen. Das Rautenhirn koordiniert Funktionen wie Atmung und Herzschlagrate und ist auch der Ort, aus dem sich im embryonalen Stadium Gesicht und Kopfstrukturen herausformen.
Diese Gene sind Teil eines Netzwerkes, das aber ein molekulares Signal braucht, damit die Bildung des Rautenhirns überhaupt beginnen kann. Bei den Meerneunaugen fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass dieses Signal Vitamin A ist.
Vitamin A wichtig in komplexen wie primitiven Lebewesen
Da also dieselben Gene und dasselbe molekulare Signal auch in den Meerneunaugen vorkommen, könnte der Vorgang der Rautenhirnbildung somit ein angestammter Prozess bei allen Wirbeltieren sein, wie Bedois weiter ausführt.
Zuvor war dies lediglich für komplexe Geschöpfe bekannt – die Erkenntnis bei primitiven Meereskreaturen überrascht. Das beweist, dass Meerneunaugen und Menschen näher miteinander verwandt sind, als man erwartete, und dass wir alle von einem gemeinsamen Vorfahren kommen müssen. Die Seetiere haben hierzu einen zusätzlichen Hinweis geliefert.
Die Forschung müsse jetzt versuchen, noch weiter in der Zeit zurückzugehen, um herauszufinden, wann die Genetik zur Bildung des Rautenhirns erstmals entstand. Ein besseres Verständnis darüber kann nämlich helfen, wie dieser Vorgang im Krankheitsfalle aus der Bahn geraten kann.
Quellen: „Sea lamprey enlightens the origin of the coupling of retinoic acid signaling to vertebrate hindbrain segmentation“ (Nature Communications 2024), Stowers Institute
Von Woon-Mo Sung