Der Konflikt innerhalb der sogenannten Wirtschaftsweisen bleibt ungelöst. Jedes Jahr im Herbst veröffentlicht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein Jahresgutachten. Am kommenden Mittwoch erscheint erstmals ein Kapitel davon außerhalb des gewohnten Turnus schon im Mai. Es ist die erste größere Veröffentlichung des Gremiums, seit die Ratsmitglieder im Februar öffentlich über den Verbleib des Ratsmitglieds Veronika Grimm in dem Gremium stritten.
Nach F.A.S.-Informationen konnten die Wirtschaftsweisen dabei keinen Konsens erzielen. Die Energieexpertin Grimm wird eine Minderheitsposition veröffentlichen. Das steht jedem Ratsmitglied frei, das sich nicht der Mehrheitsmeinung anschließen möchte. In dem Kapitel werden unter anderem der Güterverkehr und die Dekarbonisierung behandelt, Themen also, die Berührungspunkte zum Energiesektor haben.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Grimm wurde im Februar in den Aufsichtsrat des Energieunternehmens Siemens Energy gewählt. Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Monika Schnitzer und die drei anderen Ratsmitglieder Achim Truger, Martin Werding und Ulrike Malmendier hatten Grimm zuvor den Rücktritt aus dem Gremium nahegelegt, sollte sie das Aufsichtsratsmandat annehmen. Die vier Weisen fürchteten einen Interessenkonflikt, wenn Grimm sich weiterhin zu Energiethemen äußere, für die sie im Rat die Expertin ist, von denen aber auch Siemens Energy betroffen ist. Grimm verwies darauf, dass die Bundesregierung, die der Sachverständigenrat beraten soll, das Mandat als unbedenklich bewertet hatte. Sie wies die Forderung, sich für einen der Posten zu entscheiden, zurück, nahm das Siemens-Mandat an und blieb im Sachverständigenrat.
Rechtliche Bedenken gegen die Doppelfunktion gab es nicht, den Weisen ist es freigestellt, Aufsichtsratsmandate anzunehmen. Im Nachgang des Konflikts hatte die Vorsitzende Schnitzer angekündigt, der Rat werde sich einen Compliance-Kodex geben. Das ist aber bisher noch nicht geschehen. Man arbeite weiterhin sachlich zusammen, heißt es aus dem Rat.