Personalausweis, Führerschein, Plastikkarten – in nicht allzu ferner Zukunft kann man all das künftig zu Hause lassen. Dann reicht es, sich per Smartphone auszuweisen. Das Ganze soll über eine App geschehen, deshalb ist nicht etwa von einer „elektronischen Brieftasche“ die Rede, etabliert hat sich auch hierzulande der englische Begriff „Wallet“ für den Platz, wo wichtige Unterlagen gespeichert werden könnten.
Auf den Smartphones haben diese Wallets schon Einzug gehalten, allerdings enthalten sie bisher vor allem Kreditkarten, Flugtickets oder Konzertkarten. Künftig sollen sie auch behördliche Dokumente oder andere Unterlagen verwahren, die man für Onlinegeschäfte jeglicher Art nutzen kann: für die Eröffnung eines Kontos oder als Altersnachweis, zur Identifizierung gegenüber der Krankenkasse oder für den Abschluss eines Mobilfunkvertrages. Auch Zeugnisse oder Mitgliedskarten von Vereinen sollen dort gespeichert werden können.
So gibt es die Europäische Union vor: Bis Ende 2026 haben die EU-Staaten Zeit, sich technisch einiges einfallen zu lassen. Deutschland hat dazu am Donnerstag einen weltweiten Innovationswettbewerb um die besten Ideen ausgerufen. „Wir sind damit europaweit das erste Land, das loslegt“, erklärte Deutschlands Chief Information Officer und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Richter, auf einer Pressekonferenz in Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wirbt in einer Pressemitteilung für das Projekt: „Digitale Identitäten werden Bürgerinnen und Bürgern nicht nur den Kontakt mit Behörden erleichtern, sondern auch im Alltag zu erheblichen Verbesserungen führen – vom Onlinebanking über die Jobbewerbung bis zum elektronischen Rezept beim Arzt.“
Bewerber gesucht
Formal geht es um ein schnödes Vergabeverfahren, aber das Prozedere ist zumindest auf Ministeriumsebene ungewöhnlich: Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) hat einen Wettbewerb ausgelobt, an dem privatwirtschaftliche Unternehmen, gemeinnützige Organisationen oder auch Einzelpersonen teilnehmen können. Bis zum 5. Mai können sie sich bewerben. Sie sollen mindestens einen Wallet-Prototypen für Android- oder iOS-Systeme entwickeln. Anders als sonst üblich werden sie dafür auch vergütet: Jeweils 300.000 Euro bekommen die Teams für ihre Arbeit, im späteren Verlauf des Wettbewerbs erhöht sich der Betrag auf 350.000 Euro. Aus dem Bewerberkreis werden für die erste Runde sechs Teams ausgesucht. Eine Jury reduziert die Zahl im Laufe des Wettbewerbs auf vier und dann auf zwei Teams.
Dass die Arbeit an den Prototypen im Wettbewerb vergütet wird, soll auch Teilnehmern aus der Zivilgesellschaft die Teilnahme ermöglichen. In Zeiten, in denen die Haushaltsmittel für die Digitalisierung der Verwaltung knapp bemessen sind, ist das durchaus ungewöhnlich. Für den Bereich „digitale Identitäten“ hat das Bundesinnenministerium 40 Millionen Euro zur Verfügung. Der geringe Betrag hatte schon zu Beginn des Jahres dazu geführt, dass die kostenfreie PIN-Rücksetzung gestrichen werden musste. Wer seine PIN für den digitalen Ausweis vergessen hat, muss derzeit ins Bürgeramt, um sie zurücksetzen zu lassen.
Dieser umständliche Prozess hat für viel Kritik gesorgt, erklärt sich aber aus den knappen finanziellen Mitteln, betonte Richter. „Das wenige Geld müssen wir in diesen Prozess investieren. Es ist wichtig, im Maschinenraum weiterzukommen.“ Gleichzeitig stellte der Staatssekretär klar, dass spätestens im Jahr 2026 weitere finanzielle Mittel bereitgestellt werden müssen, um das Wallet-Projekt auch tatsächlich umsetzen zu können. Die Teilnehmer sollen sich in ihrer Arbeit an verschiedenen Kriterien orientieren, die in einem Architekturvorschlag festgelegt sind. Dieser wurde auf der Internetseite Open CoDE veröffentlicht. Einige dieser Vorgaben bezeichnete Richter als nicht verhandelbar: Sicherheit, Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit. Außerdem soll eine große Reichweite unter Nutzern erreicht werden. Besonders der letzte Punkt ist in Deutschland noch ausbaufähig: Die digitale Funktion ihres Ausweises beispielsweise nutzt derzeit nur eine Minderheit der Bürger, dabei verfügen inzwischen alle Personalausweise darüber.