Wer nicht weiß, was einen erwartet, wähnt sich falsch abgebogen. Die Arena in Ostrau unweit des Industriegebiets, das einiges von der Vergangenheit der Stadt als Mittelpunkt des tschechisches Kohle-Reviers illustriert, könnte ohne weiteres als schmucklose Lagerhalle durchgehen. Doch der erste Eindruck täuscht.
Der von grauen Betonstelzen gesäumte Gebäudekomplex hat es in sich: Er dient in diesen Tagen einem Spektakel als Spielstätte, das Zehntausende anlockt, die für eine Dezibel-Dröhnung sorgen, die mit jedem Ballermann-Klub mithalten kann. Geräuschempfindlichen Zeitgenossen wird empfohlen, einen Hörschutz zu tragen, insbesondere wenn die slowakische Eishockey-Nationalmannschaft im Einsatz ist.
„Einige Ideen“ für die deutsche Eishockey-WM 2027
Claus Gröbner hat bei seinem Besuch der Weltmeisterschaft einiges gesehen und gehört, was ihm beachtenswert erscheint. Der Generalsekretär des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) interessierte sich nicht nur für die sportlichen Entwicklungen. Er nahm zudem Anregungen auf, wie sich Turniere dieser Größenordnung so vermarkten lassen, dass sich der Zuschauer vor Ort genauso gut davon unterhalten fühlt wie der Beobachter vor den Bildschirmen.
In drei Jahren sind die Deutschen wieder an der Reihe, eine WM zu veranstalten, Gröbner ist in Personalunion Geschäftsführer der Ausrichter-GmbH. Gröbner sagte, er sei nach Ostrau gekommen, um „hinter die Kulissen zuschauen“. Er machte sich dabei ein Bild, wie sich Zuschauerströme so leiten lassen, dass es trotz des strengen Sicherheitskonzepts der Tschechen nicht zu langen Schlangen an den Eingängen kommt und sprach mit Anhängern über ihre Wünsche an Fan-Dörfer. Es werde an den Spielorten Düsseldorf und Mannheim 2027 „kein Copy und Paste“ geben, sagte Gröbner, aber „einige Ideen“ nehme er schon mit heim.
Von enormer Bedeutung für den DEB
Die WM im eigenen Land ist von enormer Bedeutung für den Verband, der finanziell noch nie auf Rosen gebettet war. An der wirtschaftlichen Bedeutung einer WM für den DEB lässt Gröbner keinen Zweifel aufkommen. Nur konkrete Zahlen will er nicht nennen. Hauke Hasselbring, als Vizepräsident im DEB für Finanzen zuständig, ließ durchblicken, dass es „nicht anders gehen“ könne, „als alle sieben bis acht Jahre eine WM zu bekommen, die so viel abwerfen muss, dass sie den Zwischenraum überbrücken lässt“. Nach F.A.Z.-Informationen kalkuliert das tschechische Organisationskomitee mit einem Erlös im mittleren einstelligen Millionenbereich.
Der DEB ist auf beträchtliche Einnahmen angewiesen, um priorisierte Vorhaben zu finanzieren, zu denen unter anderem der Aufbau einer leistungsfördernden Ligen-Struktur gehört, die den Frauen-Teams einen Ausbruch aus der Nische ermöglichen kann, wie Gröbner im Sportausschuss des Bundestags ankündigte. Er berichtete von Investitionen „in Steine und Beine“.
Eine Großbaustelle, im Sinne des Wortes, sind die Eishockey-Arenen. 143 davon sind überdacht, ihr Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre, entsprechend hoch ist ihr energetischer Sanierungsbedarf; bei 76 handelt es sich um Outdoor-Flächen, sprich: gefrorene Gewässer, die in der Alpenregion zusehends vom Klimawandel bedroht sind. „Das Thema Infrastruktur ist für uns eine besondere Herausforderung“, sagte Gröbner. Und seit Erfolge wie der zweite Platz bei der vorigen WM in Finnland für Zulauf an der Basis sorgen, nimmt der Druck, praktikable Lösungen zu finden, zu.
Aktuell sind 14.817 Jungs und 1971 Mädchen im DEB als Aktive registriert, längst nicht alle interessierten Kinder können angenommen werden. Viele Vereine haben einen „Aufnahmestopp“ eingeführt, weil es ihnen an Flächen mangelt, berichtete Gröbner, der bei Renovierungen und Neubauten auf das Mitwirken der (Lokal)-Politik angewiesen ist, weil die öffentliche Hand die überwiegende Mehrzahl der Stadien unterhält. Er sprach sich für eine Wiederaufnahme des vom damaligen Innenminister Horst Seehofer ausgerufenen „Goldenen Plans“ aus. Seit 2020 gab der Bund 370 Millionen Euro für das „Investitionspakt Sportstätten“, ehe die Ampel-Koalition entschied, die Förderung zu beenden. In Zeiten knapper Kassen müsse „kreativ“ nach Lösungen gesucht werden, verlangt Gröbner. Was das bedeuten kann, zeigt sich auch in Ostrau: Die Arena war in den 1970er-Jahren als „Kultur-Palast“ für Konzerte konzipiert worden. Mittlerweile, grundlegend modernisiert, gibt dort der Sport den Ton an – mindestens bis kommenden Dienstag unter maßgeblich deutschem Mitwirken.