Herr Dombrovskis, Sie waren vier Tage in China, durchaus lang. Was haben Sie mitgebracht?
Wir hatten einige schwierige Themen zu besprechen: Allen voran das stark gestiegene Handelsdefizit, das letztes Jahr fast 400 Milliarden Euro erreicht hat, und damit verbunden, dass unser Markt immer noch viel offener für chinesische Unternehmen ist als umgekehrt. Des Weiteren habe ich klargestellt, dass wir von China mehr Engagement erwarten, um das Schwarze-Meer-Getreideabkommen wiederzubeleben, und dass es mehr dagegen tun muss, dass die Sanktionen gegen Russland umgangen werden.
Haben die Chinesen irgendwelche konkreten Zugeständnisse gemacht?
Wir haben uns auf einige konkrete Marktzugangsbarrieren konzentriert, 5 oder 6 von mehr als 1000 Hindernissen, die die Europäische Handelskammer aufgelistet hat. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die verhindern soll, dass das chinesische Datengesetz unseren Unternehmen den grenzüberschreitenden Austausch von Daten fast unmöglich macht. Wir haben über Hindernisse für Kosmetika gesprochen und eine Arbeitsgruppe für Finanzdienstleistungen eingerichtet. Zudem haben die Chinesen zugesagt, die Erteilung von Lizenzen für die Einfuhr von Babynahrung zu beschleunigen. Das klingt nach einer Nische, steht aber für 18 Prozent der Agrarexporte der EU nach China.
Nach besonders einschneidenden Erfolgen klingt das nicht gerade.
Das sind kleine, aber wichtige Schritte. China ist ein schwieriger Markt, aber auch ein sehr wichtiger. Also müssen wir uns engagieren, und es ist wichtig, das auch von Angesicht zu Angesicht zu tun.
Wie war denn die Stimmung? Es fiel auf, dass der Ton beim Besuch der US-Handelsministerin Gina Raimondo vor einem Monat recht rau war.
Ich war nicht dabei, als Raimondo in China war. Alles in allem war die Tonlage konstruktiv. Natürlich haben wir eine ganze Reihe von Punkten angesprochen. Die Chinesen hatten weniger Punkte, aber dafür gewichtige.
Die drohenden Strafzölle auf E-Autos?
Genau das, und Huawei und ZTE und den Zugang zu den 5-G-Netzen. Das hat uns die Gelegenheit gegeben zu erklären, dass wir hier rein auf Faktenbasis vorgehen, im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation, und die chinesischen Behörden und die Industrie sich umfassend in den Prozess einbringen können.
Offiziell wird das Verfahren kommende Woche eingeleitet?
In den nächsten Tagen.
Brüssel hat neun Monate Zeit, um vorläufige Zölle zu verhängen – oder geht es schneller, und sie kommen schon vor der Europawahl im Juni?
Diese Kommission wird auf jeden Fall noch im Amt sein.
Was beides heißen kann. Wie haben denn die EU-Staaten reagiert? Deutschland fürchtet Gegenmaßnahmen Pekings.
Wir sind in engem Kontakt. Einige Staaten haben tatsächlich Bedenken angemeldet. Aber das Antisubventionsverfahren kam ja nicht aus dem Nichts. Es gibt dafür zwei Bedingungen: Wir haben belastbare Hinweise, dass China handelsverzerrende Staatshilfen zahlt und dass davon eine Gefahr für die europäische Industrie ausgeht. In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist der Anteil am E-Auto-Markt der EU von unter 1 auf 8 Prozent gestiegen.
Die Bedrohung geht also nur davon aus, dass der Marktanteil gestiegen ist?