Das ganze Leben ist ein Bluff. Das ist nicht neu, die Kosmetikindustrie lebt nicht schlecht davon. Der Trick besteht darin, den Bluff so zu dosieren, dass er nicht auffällt, sonst nennen ihn die übrigen Bluffer eine Lüge. Oder es maßlos zu übertreiben.
Wie weit es Superbluffer in dieser scheinheiligen Welt schaffen, bis ihr hochgestapeltes Lügengebäude kollabiert, das ist einer der beliebtesten Komödienstoffe seit je. Und doch könnte man auf die Idee kommen, das Genre sei eigens für Bastian Pastewka erfunden worden, diesen für Film und Fernsehen im Grunde viel zu schlauen Pokerface-Komiker, der seine Rollen mit absoluter Selbstkontrolle angeht, jede Dialogzeile auf den Punkt genau richtig intoniert und daneben als wandelndes Archiv der deutschen Unterhaltungskultur Erfolge feiert.
Ist das ein Bluff oder der Bluff eines Bluffs?
Bei keinem anderen deutschen Schauspieler, nicht einmal bei Christian Ulmen, ist man so unsicher, ob man gerade einen Bluff oder den Bluff eines Bluffs sieht, ein mehrfach um sich selbst gewickeltes ironisches Zitat, das aber stets so sympathisch tapsig und hundeblick-knuddelig serviert wird, dass Pastewkas Figuren – meist spielt er sich selbst – mit beinahe allem durchkommen.
In „Alles gelogen“ nach einem ziemlich lustigen Drehbuch von Ralf Husmann (Regie: Erik Haffner) darf dieser Superbluffer nun einen lupenreinen Superbluffer spielen; ein kleiner Coup des ZDF, kurz bevor bei Amazon Prime am 15. August mit großem Tamtam die von Anke Engelke und Pastewka erdachte und gespielte Serie „Perfekt verpasst“ startet. Und vielleicht deshalb schon Monate vor der Ausstrahlung in die ZDF-Mediathek gestellt wurde?
Gut aufgehoben im Zulaber-Beruf
Der Plot ist schlank: Der sich den stressigen Angestelltenalltag mit beherztem Zurechtbiegen der Wahrheit angenehmer gestaltende Autoverkäufer Hajo Siewers, gut aufgehoben eigentlich in seinem Zulaber-Beruf und gesegnet mit einer ihn trotz aller Schwächen liebenden Frau (Katrin Wichmann), einem das Bluffen gerade erst lernenden Sohn (Arthus Gropp) und einem Eigenheimneubau mit mährobotergeeignetem Rasenstück („Ich lebe seit Jahren über meine Verhältnisse, weil es sich da viel besser lebt“), dieser integrierte Vorstadt-Münchhausen gerät aufgrund einer obszön großen Lüge – „ein Lügenelefant“ – in Schwierigkeiten. Seine wegen Unzuverlässigkeit eigentlich beschlossene Entlassung („Hajo, du bist raus!“) wurde zwar in eine letzte Bewährungsprobe umgewandelt, aber natürlich kam der Pünktlichkeit wieder etwas dazwischen, so dass zur ultimativen Notlüge gegriffen werden musste: Verkehrsunfall, die Ehefrau, „ja, sie ist tot“ (nebenbei: „keine gute Schlagzeile für ein Autohaus“).
Möglichst lange durchkommen mit dem Irrsinn
Jetzt gilt es, möglichst lange durchzukommen mit dieser Irrsinnsbehauptung, die nicht nur dazu führt, dass erst Hajos Lieblingsmitarbeiterin Birgit (Lina Beckmann) und dann seine Chefs (Pina Kühr, Holger Stockhaus) bei ihm zuhause aufkreuzen. Es werden immer weitere Anschlusserfindungen nötig, die ins Unkontrollierbare wachsen, selbst für einen Profilügner. Pastewka spielt mit physischem Einsatz, im Fußball würde man sagen: Er stellt seinen Körper rein. Auch rhetorisch ist dieser Hajo ein hervorragender Abwehrspieler. Was soll man etwa gegen diese Begründung für das Nichtbesorgen einer Gartenpflanze sagen, nachdem die initiale Lüge, „hatte Blattläuse“, aufgeflogen ist: „Ich fand, Klettergurke klingt wie ’ne Geschlechtskrankheit“? Schnell bemerkt er, dass sich mit Wahrheiten auch ganz klassisch handeln lässt: tauschen, feilschen und wuchern.
The subplots aren't all that original: the son is being ignored at school, the boss has his own dirty hands, the wife has had enough of everything. The police get involved for stupid reasons. So it's almost like every other TV comedy. What makes this film stand out is the – admittedly remarkable – situational and dialogue comedy, and in addition to Pastewka, the famous Lina Beckmann plays a major role in this.
Birgit, who is shy but then bravely reaches for happiness, is reminiscent of Beckmann's magnificent role in the wild comedy “Do you sometimes feel burned out and empty?” (2017) by Lola Randl, a depth psychological variant of the “Amphitryon” story, where the double main character indulged in a dalliance with a prefab house dealer played with outstanding sleazyness by Benno Fürmann. This time, the affair with the equally deceitful (“Birgit's interior is made of buttercream”) but rather staid car dealer is itself a lie, which is played out for Birgit's malicious mother (Birgit Berthold) and of course also gets out of control, while Hajo's wife unexpectedly quickly comes to terms with the idea of being dead, at least for the idiot Hajo.
The fact that lies currently seem to be the dominant political category is not reflected in the thematic extensions that spoil the good mood. Hajo is not a poser-like Trump. Rather, we see in actu how much noble, buttercream character it takes to glide through life as a morally upright super-bluffer, even if everything up to the end is as predictable as the “Little Lies” by Fleetwood Mac that plays during the credits. A good joke almost always saves you from boredom. In terms of dramaturgy and humor, “Alles geliehen” is a kind of climbing cucumber; it is not a wildly proliferating masterpiece, but it is a decent start to the ZDF comedy summer.
All liesin the ZDF media library, linear on ZDF on September 5th, at 8.15 p.m.