Der Bundesrat hat sich am Freitag einen hessischen Gesetzentwurf zur anlasslosen Speicherung von IP-Adressen im Internet zu eigen gemacht und ihn an den Bundestag überwiesen. Damit ist die Ampelkoalition gezwungen, zu dem Konzept Stellung zu beziehen.
Es erlaubt die Speicherung der Daten für den Zeitraum von einem Monat. Das soll ausschließlich der Verfolgung schwerer Kriminalität dienen. Der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) hatte in seiner Rede in der Länderkammer mit Beispielen illustriert, wie wichtig es sei, die Verbreitung von Kinderpornographie effektiv zu verfolgen und dabei sehr anschaulich die einschlägigen Erfahrungen der hessischen Ermittler geschildert.
Rhein: Datenschutz darf kein Täterschutz sein
Es gehe nicht um abscheuliche Einzelfälle, sondern um ein Massenphänomen, so Rhein. Allein die Darknet-Plattform Elysium habe mehr als 111.000 Mitglieder verzeichnet. Sie seien nur aufgedeckt worden, weil der Anbieter des genutzten Internetzugangs die Daten freiwillig und zufällig gespeichert habe. Die Strafverfolgung dürfe aber nicht von solchen Zufällen abhängig sein.
Die Fachleute seien sich einig, dass es ohne die Speicherung der IP-Adresse keinen Ermittlungsansatz gebe, so Rhein. Der Europäische Gerichtshof habe vor zwei Jahren entschieden, dass eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen grundsätzlich zulässig sei. Das sei ein klarer Arbeitsauftrag an den Gesetzgeber.
Deutschland aber habe bislang nicht gehandelt. Darum hätten seit dem Urteil im Oktober 2022 mehr als 38.000 Fälle eingestellt werden müssen. Es habe schlichtweg keinen Ermittlungsansatz gegeben. „Das ist unerträglich“, so Rhein. Datenschutz dürfe kein Täterschutz sein.
Quick-Freeze-Modell abgelehnt
Er hatte seine Rede offenbar mit dem sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) abgestimmt. Der konzentrierte sich auf die angestiegene islamistische Bedrohung und nannte neben dem Anschlag von Solingen weitere Fälle, in denen die Speicherung von IP-Daten den Ermittlern das nötige Rüstzeug zur Strafverfolgung gegeben habe.
Wie Rhein, so lehnte auch Schuster das von der Bundesregierung präferierte Quick-Freeze-Modell ab. Danach sollen im Anschluss an schwere Straftaten Daten „eingefroren“ werden und so für die Ermittlungen zur Verfügung stehen. Das sei eine Scheinlösung, meinten die Unionspolitiker. Denn wenn die Polizei nach der Tat ein Auskunftsersuchen stelle, sei nichts mehr da, was man einfrieren könne.
Schuster, der im Plenum des Bundesrats neben Rhein als einziger Politiker zu diesem Thema sprach, beklagte die Abhängigkeit der deutschen Ermittler von ausländischen Sicherheitsbehörden. Diese „Fähigkeitslücke“ sei von der Politik verursacht worden und müsse geschlossen werden. Über die Datenspeicherung werde seit 15 Jahren gestritten.
Grüne kompromissbereit
Darum sei es von größter Bedeutung, wenn der hessische Vorschlag nun zu einer neuen Diskussion in Berlin und zu einer Entscheidung führe. Der Bundesrat beauftragte den hessischen Justizminister Christian Heinz mit der Betreuung des weiteren parlamentarischen Verfahrens. Der Unionspolitiker hatte den Gesetzentwurf im April in der Länderkammer eingebracht. Er war Bestandteil des Sofortprogramms der schwarz-roten Landesregierung.
Dass es Heinz gelingen würde, dafür eine Mehrheit im Bundesrat zu organisieren, war offenbar bis zuletzt nicht sicher. Als richtungweisend erwies sich die Kompromissbereitschaft der Grünen in den von ihnen gemeinsam mit der CDU regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dass der hessische Vorstoß in der Länderkammer am Ende 38 der insgesamt 69 Stimmen bekam, lag aber auch an dem von der Sozialdemokratin Anke Rehlinger geführten Saarland.
Sie ist sich bei dem Thema mit ihrer Parteifreundin, der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, einig. Diese war mit ihrer Position bislang vor allem bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und den Grünen auf Widerstand gestoßen.