Es kann nur einer siegen in der Formel 1. In den vergangenen Jahren schien es, als sei dies die Regel, die höchstens einmal im Jahr durch die Ausnahme bestätigt wird. Und in Miami triumphierte nie ein anderer als Max Verstappen. Doch dann? Kam es anders. McLaren-Pilot Lando Norris ist der Überraschungssieger des Großen Preises in Florida, zum dritten Mal ausgetragen auf dem Parkplatz eines Footballstadions, den sie, so klingt es viel besser, das Miami International Autodrome nennen.
Weltmeister Verstappen im Red Bull kam nach 57 Runden (308 Kilometer) nur als Zweiter an. Dritter wurde Ferrari-Pilot Charles Leclerc. Nico Hülkenberg aus Emmerich steuerte seinen Haas auf Platz elf und blieb ohne Punkte. Für den 24 Jahre alten Norris war es im 111. Grand Prix der erste Sieg der Karriere.
Trump ballt die Faust
Um 15.46 Uhr Ortszeit wies das Thermometer 28 Grad Celsius aus, erhoben sich die Zehntausenden, auch für Donald Trump, der dem Publikum seine Siegesfaust zeigte. Das führte auf den Rängen zu Jubelschreien und Buhrufen gleichermaßen. Wenige Minuten zuvor hatte der ehemalige und womöglich künftige amerikanische Präsident noch das McLaren-Team besucht und mit Geschäftsführer Zak Brown geplauscht.
Trump soll um das Schwätzchen gebeten haben, McLaren beteuerte eilig, unpolitisch zu sein. Konnte ja niemand ahnen, dass ausgerechnet Trump den Glücksbringer geben würde. Doch bis dahin war der Weg noch weit. Zuvor gab der sechsmalige Grammy-Gewinner Marc Anthony, halb geträllert, halb gekräht, das Lied vom Sternenbanner zum Besten. Danach heulten nur noch die Motoren.
Verstappen, der am Samstag das Sprintrennen und das anschließende Zeittraining gewann, führte die Verfolger zum ersten Rechtsknick. Eine Karambolage lag in der Luft, denn Sergio Pérez im zweiten Red Bull schoss heran und fuhr beinahe Verstappen über den Haufen. Auch die Ferrari-Piloten erschraken: „Was zur Hölle“, schimpfte Carlos Sainz am Bordfunk, „das kann nicht sein, er hätte uns beinahe ausgeschaltet.“ Der Spanier verlangte eine Strafe für Pérez, den Favoriten der großen lateinamerikanischen Community von Miami, doch die Rennleitung drückte ein Auge zu.
Hülkenberg brillant
Zwischen den Ferrari-Piloten ging es zur Sache, davon profitierte Oscar Piastri im McLaren, der Sainz überholte. Pérez war nur noch Fünfter. Hülkenberg zeigte ein aggressives, wenngleich faires, kurzum brillantes Manöver, überrumpelte Lewis Hamilton und fuhr vorbei auf Platz sieben. Verstappen hastete davon, Leclerc konnte nicht folgen, er hatte den Start verhunzt, von hinten drängte da schon Piastri.
Die McLaren-Mannschaft galt in Florida als Geheimfavorit, das Team hatte den MCL38 in runderneuerter Version nach Miami verschifft. Piastri gab dem Papaya-Renner die Sporen, überholte Leclerc und lag auf Rang zwei. Es war eine Art Vorausdeutung für das, was folgen sollte. Kollege Norris jagte Pérez und man sah, dass der sonst so überlegene Red Bull auf der rutschigen Parkplatz-Piste nicht so funktionierte wie gewohnt.
Noch fand Norris jedoch keinen Weg vorbei. Anders als Hamilton, der Hülkenberg passierte. George Russell im zweiten Silberpfeil tat es dem Rekordweltmeister gleich. Nur noch Platz neun für den Rheinländer, der anschließend, nach zwölf Umläufen, die Box ansteuerte und dadurch zwischenzeitlich auf Rang 15 zurückfiel. Er vermochte die starke Form des Sprintrennens vom Samstag nicht zu bestätigen.
Norris knackt den Jackpot
Das erste Renndrittel endete, da fuhr Verstappen dreieinhalb Sekunden vor Piastri und Sainz, weil Leclerc als erster Scuderia-Pilot stoppte. Es schien zu laufen wie immer. Dann wurde es turbulent. „Ich habe die Pylone in Kurve 15 erwischt, checkt den Frontflügel“, funkte Verstappen. Das von ihm erfasste Hütchen wirbelte durch die Lüfte, kullerte über die Piste und blieb auf der Schnellspur liegen.
Die Kommissare neutralisierten das Autorennen mithilfe einer virtuellen Saftey-Car-Phase. Sie dauerte nur einige Sekunden, zu kurz für Verstappen, als dass dadurch ein zeitsparender Boxenstopp herausgesprungen wäre. Kein Glück für den Champion, der eine Runde später im Renntrimm zum Service musste. Piastri führte dadurch zur Halbzeit vor Sainz und Norris, denn das Trio zögerte den Pflichtstopp hinaus. Fernando Alonso rieb sich derweil im Mittelfeld auf. Als Neunter sammelte er schließlich zwei WM-Punkte, erlebte insgesamt ein enttäuschendes Wochenende.
Dann fiel die Entscheidung: Piastri und Sainz fuhren gleichzeitig zum Service, Norris übernahm die Spitze und gewann in der 29. Runde den Jackpot, der Verstappen zuvor versagt blieb. Weil Kevin Magnussen (Haas) und Logan Sargeant (Williams) kollidierten, rückte das Safety Car aus. Norris konnte frische Pirellis aufziehen lassen und trotzdem vorne bleiben. Was für ein Glück für den jungen Briten.
Norris zieht davon
Als der Schrott beseitigt war und die Rennleitung die Wettfahrt wieder freigab, mussten noch 25 Touren absolviert werden. Verstappen ritt sogleich die Attacke, jetzt oder nie. Norris aber ließ ihn abblitzen. Er rief nun das volle Potential des McLaren ab, der dank der aerodynamischen Verbesserungen wie am Schnürchen lief.
Norris eilte davon und Verstappen bekam zu spüren, wie es seinen Gegner so oft ergeht. Norris drehte eine schnelle Runde nach der anderen, war dabei rund drei Zehntelsekunden pro Umlauf schneller als der Champion. Verstappen schimpfte über zu wenig Grip und blockierende Räder. Er wusste, er war geschlagen.
Und wo steckte Piastri? Ein Scharmützel mit Sainz zerstörte seinen Frontflügel, McLaren rief ihn zur Box. Er fiel zurück auf den letzten Platz. Freud und Leid liegen auch in der Formel 1 dicht beisammen. Als er anschließend mit Wut im Bauch durchs Feld flügeln wollte, mahnte ihn sein Team, keine neuerliche Safety-Car-Phase zu provozieren, die Norris‘ Erfolg gefährden könnte. Piastri bremste seinen Schaum, und Norris gewann seinen ersten Grand Prix.