„Ich wusste, was ich (bei Verstappen) zu erwarten hatte. Meiner Meinung nach ist es kein sehr sauberes Fahren“, sagte Norris noch recht zurückhaltend. Anders dagegen McLarens Geschäftsführer Zak Brown: „Genug ist genug.“ Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko konnte die Sanktionen am Sky-Mikrofon nicht verstehen: „Die harten Strafen waren eine Überreaktion nach dem, was in Austin passiert ist.“
Nur eine Woche nach dem Zoff von Austin um Verstappens kompromisslosen Verteidigungsstil durfte sich Norris diesmal als Gewinner beim Großen Preis von Mexiko-Stadt fühlen. Er sicherte sich Platz zwei hinter Ferrari-Pilot Carlos Sainz. Im WM-Klassement verkürzte der 24 Jahre Brite von McLaren seinen Rückstand um zehn Punkte auf Verstappen. Vor den letzten vier WM-Läufen in diesem Jahr liegt er 47 Zähler hinter dem Titelverteidiger. „Ich behalte den Kopf unten“, sagt Norris nur.
Beinahe wie schon beim US-Rennen wäre Ferrari ein Doppelerfolg gelungen. Charles Leclerc vergab die Chance aber, als er sich unter Druck durch Norris wenige Runden vor Schluss verbremste und nur Dritter wurde. In der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft zog die Scuderia aber an Red Bull vorbei, ist Zweiter hinter McLaren und kann sich berechtigte Hoffnungen auf den ersten WM-Titel seit dem Team-Triumph 2008 machen.
Verstappen erwischte einen glänzenden Start. Er hatte sich Platz zwei in der Qualifikation gesichert, nur Sainz war schneller gewesen. Norris hatte es auf Rang drei geschafft, Leclerc war Vierter geworden. Ein durchaus heikle Konstellation, wie sich ein paar Runden später auch noch herausstellen sollte.
Vorn ging es unfallfrei durch die ersten Kurven. Verstappen schob sich neben Sainz und vorbei, der Spanier steuerte seinen Ferrari durchs Gras, kürzte ab und kam damit zwar wieder vor den Niederländer. Allerdings ließ er ihn – wie die Regeln in einem Fall vorgeben – wieder passieren. Dahinter lauerte Norris auf eine Lücke zwischen den beiden. Den Gefallen taten sie ihm aber nicht.
Noch in Runde eins kam aber das Safety Car – Yuki Tsunoda war mit seinem Racing Bull in die Streckenbegrenzung gekracht, ebenso Alexander Albon mit seinem Williams. Den Re-Start nach den Aufräumarbeiten meisterte Verstappen in gewohnter Manier – er ließ Sainz erstmal keine Chance. Lange hielt er sich aber nicht vorn. Sainz überholte spektakulär, dann wollte auch Norris es versuchen.
Zündstoff für das explosive WM-Duell
Eine Woche nach dem Vorfall von Austin, als Norris wegen Verlassens der Strecke bei einem Überholversuch gegen Verstappen bestraft worden und auf Rang vier hinter dem Red-Bull-Star zurückgefallen war, lieferten die beiden neuen Zündstoff für das ohnehin längst explosive WM-Duell. Verstappen drängte Norris von der Strecke, der Brite kam vor Verstappen zurück, der es kurz danach seinerseits probierte. Die Wagen berührten sich. Norris wütete via Funk. Die Rennkommissare nahmen prompt die Ermittlungen auf.
Erst am Donnerstag hatten die Stewards von Austin das Geschehen auf dem Circuit of the Americas noch mal bewertet und einen möglichen Einspruch von McLaren eine Absage erteilt. Diesmal wurde Verstappens Knallhart-Stil geahndet. Er bekam eine Zehn-Sekundenstrafe für sein Fahrverhalten beim ersten Zweikampf. Wenig später blinkte erneut es erneut: „Penalty.“ Auch für die zweite Aktion brummten die Rennkommissare Verstappen zehn Sekunden auf. Was das für die noch kommenden Rennen in dieser WM bedeutet, ist klar: Es wird noch giftiger.
Mechaniker wie eingefroren
Wie schon in Austin profitierte Ferrari vom rustikalen Zweikampf der WM-Rivalen. Leclerc schob sich auf Rang zwei hinter Sainz. In Austin hatte die Scuderia einen Doppelerfolg gefeiert, dort hatte Leclerc vor Sainz gewonnen.
In Mexiko-Stadt drohte der nächste Zweikampf zwischen Verstappen und Norris. Bevor der Brite aber ansetzen konnte, bog Verstappen zum Reifenwechsel in die Box ab. 20 Sekunden standen seine Mechaniker wie eingefroren um den Wagen, erst als die Strafe abgelaufen war, legten sie los. Als 15. reihte er sich wieder ein – einen Platz hinter seinem Teamkollegen Sergio Pérez.
Der mexikanische Lokalmatador wollte sein Heimrennen zur Wende einer nach eigenen Worten „schrecklichen Saison“ machen. Nach einer weiteren Enttäuschung auch noch vor den eigenen Fans muss er aber wohl mehr denn je um seine Zukunft an der Seite von Verstappen bangen.
Denn was mit Red Bull auch möglich ist, zeigte dieser. Einen nach dem anderen schnappte er sich und lag 30 Runden vor Schluss schon wieder auf Platz sechs. Doch nicht nur Verstappen sah, dass dunkle Wolken aufzogen. Regen hätte die Reihenfolge noch mal durcheinander wirbeln können. Norris wollte darauf nicht warten. Er versuchte, den Rückstand auf die beiden Ferraris zu verkürzen. Und das gelang zumindest bei Leclerc.