Wir wären am Mittwoch ja gerne noch in der Hauptstadt geblieben, um im Bundestag vom Kanzler persönlich zu hören, wie gut es uns unter seinem Regiment ginge, wenn nur alle auf ihn und seinen unergründlichen Ratschluss hörten. Weil aber Scholzens Befehle bisher oft zu leise waren, kann man in Deutschland auch nicht einfach von einer Stadt in eine andere fahren oder fliegen, wie und wann man gerade will. Wenn die Lokführer nicht streiken, tun das die sogenannten Luftsicherheitskräfte, nicht zu verwechseln mit der Luftwaffe, die – noch – nicht für die 35-Stunden-Woche demonstriert.
Wer dann das Auto nimmt, stößt auf Traktoren, die einen nicht auf die Autobahn lassen. Zum Glück müssen die Bauern aber in der Frühe erst einmal ihre Kühe melken. Und nur in Frankreich blockiert ersatzweise die Polizei den Verkehr mit Panzern. Trotzdem haben wir an die Lage vor 79 Jahren denken müssen, als ja auch jeder froh war, der es noch aus Berlin herausschaffte.
Da tobten die Genossen wie die Fans von Muhammad Ali
Aber bedauerlich war es schon, wegen der frühen Flucht verpasst zu haben, wie der Weltergewichtler Scholz dem ihm an Reichweite überlegenen Merz einen linken Haken auf das schöne Glaskinn wummste, dass die Genossen tobten wie die Fans Muhammad Alis beim „Rumble in the Jungle“. Und wie sie johlten, als Scholz den Oppositionsführer auch noch eine Mimose nannte! Im Boxsport nennt man eine solche blitzschnelle Kombination Doppelwumms. Der Kanzler will jetzt, von seiner Partei zu mehr Schlagfertigkeit aufgefordert, offenkundig alle Metaphern einsetzen, die er in seinem Rhetorikarsenal hat. Feigheit vor der eigenen Courage sucht man bei Scholz vergeblich.
Wir sind daher schon gespannt, was genau er unter einer Kommunikation „mit entsprechender Unterlegung“ versteht, die alle bekommen würden, die sie wollten. Wir hatten bei ihm zwar mehr Überlegung bestellt, aber in diesen Zeiten muss man froh sein über alles, das man kriegt
Was Strack-Zimmermann lieber ist als ein tauber Kanzler
Außerdem ist der Kanzler beim Erfüllen seiner Versprechungen immer für eine Überraschung gut. Wir hatten zwar auch nicht angenommen, dass Scholz zuerst an alleinerziehende Mütter aus Afrika dachte, als er sagte, es müsse nun Abschiebungen im großen Stil geben. Aber dass er damit die elegante Versetzung Strack-Zimmermanns ins Europaparlament meinte, darauf wären wir nicht gekommen. Chapeau, Herr Bundeskanzler! Wie haben Sie die FDP bloß dazu gebracht, Ihnen die Nervensäge vom Hals zu schaffen? Und wieso ließ die wehrhafte FDPlerin das mit sich machen? Na ja, auch der ist der Spatz in der Hand (sicheres Mandat in Brüssel) wahrscheinlich lieber als ein tauber Kanzler in Berlin und die Zitterpartie bei der nächsten Bundestagswahl.
Hebt Scholz sich den Perückenstrauch für Hofreiter auf?
Leider werden wir jetzt aber wohl nicht mehr erfahren, zu welcher metaphorischen Unterlegung Scholz im Falle Strack-Zimmermanns greifen würde, wenn sie ihm eines Tages so auf den Senkel ginge wie die Schamhafte Sinnpflanze alias Friedrich Merz. Kaktus? Brennnessel? Gemeine Stinkmorchel? Den Perückenstrauch wird der Kanzler sich ja wohl für Hofreiter aufheben, der ihn ähnlich reizt wie die liberale Silberdistel.
Und warten Sie mal ab, was aus Scholz heraussprudelt, wenn er das Walesa-Bonmot hört, das in Berlin in aller Munde ist, seit in der F.A.Z. daran erinnert wurde. Sie wissen schon: dass es leichter sei, ein Aquarium (Demokratie) in eine Fischsuppe (Diktatur) zu verwandeln, als umgekehrt. Von einem tollen Hecht wie dem Kanzler wird man in der Tiefsee der maritimen Metaphern doch mehr als Käpt’n-Iglo-Kitasprech erwarten können, wenn auch wohl nicht den Hinweis, dass der Fisch vom Kopf her stinke. Aber dass Scholz die Weidel mal Muräne nennt, muss drin sein, denn er gehört ja zur Generation Flipper, die noch weiß, wie bissig und hinterhältig diese schlangengleichen Viecher sind.
So, Sie merken schon, der Geist ist aus der Flasche, wie der Kanzler kürzlich auch feststellte. Mit dem Gefäß meinte er wohlgemerkt nicht seine Koalition, sondern die Büchse der Pandora, aus der die AfD kroch. Aber welcher Vollpfosten hat die bloß aufgemacht? Der Kanzler wäscht, wie die Vorgängerin, seine Hände im Aquarium der Unschuld.