Wenn in dieser Woche nicht noch etwas ganz schlimm schiefgeht, wird am kommenden Samstag in Gernsheim groß gefeiert. Der komplette Bahn-Vorstand unter Führung seines Vorsitzenden Richard Lutz gibt sich in der südhessischen Kleinstadt ein Stelldichein, begleitet von Noch-Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Management und Politik begehen das Gelingen eines Großvorhabens, die Sanierung der Riedbahn, die mit 300 Zügen täglich zu den verkehrsreichsten Strecken im deutschen Gleisnetz zählt.
Doch das milliardenschwere Pilotbauprojekt bildet erst den Auftakt für einen viel umfangreicheren Plan – nämlich die Generalsanierung der deutschen Gleisinfrastruktur. 40 Magistralen will man bis in das nächste Jahrzehnt hinein für die Zukunft ertüchtigen und so die Bahnmalaise beenden. Die Erneuerung der 70 Kilometer langen Riedbahn hat – voraussichtlich – funktioniert: Mit einem Riesenaufwand wurden ehrgeizige Zeitpläne eingehalten. Doch nun stellt mancher die bange Frage: Lässt sich dieses Tempo auch in den kommenden Jahren beibehalten?
Nächstes Mammutprojekt
Denn die Vorhaben bleiben höchst anspruchsvoll. Auf der Riedbahn wurden während einer fünfmonatigen Komplettsperrung 117 Kilometer Gleise, 140 Kilometer Oberleitungen, 152 Weichen, 265.000 Schwellen und 380.000 Tonnen Schotter erneuert sowie 20 Bahnhöfe umgestaltet; insgesamt waren es 800 einzelne Maßnahmen. Die 278 Kilometer lange Strecke Berlin – Hamburg ist deutlich länger und damit auch komplexer. Sie steht neben der Verbindung Emmerich – Oberhausen im kommenden Jahr auf dem Programm. Von August an werden in neun Monaten mehr als 180 Kilometer Gleise und rund 200 Weichen erneuert sowie sechs zusätzliche sogenannte Überleitstellen geschaffen, die den Zugbetrieb stabiler und flexibler machen sollen.
Für das 2,2 Milliarden Euro teure Sanierungsprojekt zwischen den beiden größten deutschen Städten und die mehr als drei Dutzend folgenden zeigen sich Fachleute allerdings weitaus weniger zuversichtlich. „Auf der Riedbahn findet ‚Bauen unter Laborbedingungen‘ statt“, konstatiert der Güterbahnen-Verband NEE. Die Bedingungen hier seien „nahezu perfekt“, auch angesichts der Vorarbeiten und kaum beschränkter Ressourcen. „Diese Prämissen gelten jedoch für fast keinen der 40 Korridore, die noch folgen sollen“, befürchtet Verbandsgeschäftsführer Peter Westenberger.
Finanzierung unsicher
Wie es nach der Riedbahn weitergeht, hängt zudem maßgeblich von der Finanzierungsbereitschaft des Bundes ab – und die ist im vergangenen Jahr nach der einschneidenden Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts immer weiter gesunken. Für die notwendigen Arbeiten am Schienennetz bräuchte die Deutsche Bahn eigentlich 45 Milliarden Euro bis 2027 – zusätzlich zu den rund 86 Milliarden Euro, die in Finanzierungsvereinbarungen aus dem Jahr 2020 schon vorgesehen sind.
In der prekären Haushaltslage hat die damals noch intakte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP den Betrag schon auf 40 Milliarden Euro und dann schließlich auf 27 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 gekürzt. Das bedeutet im Vergleich zu früheren Jahren zwar einen deutlichen Aufwuchs, der in der Balkengrafik einer internen Mittelfristplanung mit deutlichen Sprüngen dokumentiert ist. „Der Bund hat geliefert“, hieß es deshalb in der Bahn etwas voreilig Anfang November – noch an dem Tag, an dem die Ampelkoalition zerbrach. Doch „geliefert“ ist tatsächlich noch nichts, seitdem die Bundesregierung daran gescheitert ist, sich auf einen Haushalt 2025 zu einigen.
Noch unübersichtlicher als der Haushalt für das nächste Jahr ist die mittelfristige Finanzplanung bis 2027. Dabei ist sie zentral für die Generalsanierung, die sich bis mindestens 2031 ziehen wird. Schlimmer noch: Im Jahr 2028 findet der Geldsegen nach dem bisherigen Stand ein jähes Ende. Dabei soll dann überhaupt erst der Großteil der insgesamt rund 40 Korridorsanierungen mit einer Gesamtlänge von 4000 Kilometern in Angriff genommen werden. Derzeit hängt deshalb alles davon ab, welche Priorität die nächste Bundesregierung der Generalsanierung beimisst. Immerhin sind die Signale ermutigend: SPD und Grüne halten das Projekt für unverzichtbar, auch die CDU bekennt sich zu dem Schritt.
Reparaturen haben Vorrang
Angesichts der unsicheren Haushaltslage hat die Bahn deshalb in den vergangenen Monaten angefangen, Prioritäten zu setzen: „Bestandsnetz first“, heißt es deshalb im Konzern allerorten. Statt in kostspielige Neubau- und Digitalisierungsprojekte wird das Geld erst einmal in die notwendige Reparatur der schon bestehenden 34.000 Kilometer fließen. Das führt schon jetzt zu handfesten Auseinandersetzungen – etwa mit der Landesregierung in Baden-Württemberg über den Bau des Digitalen Knotens Stuttgart und der wichtigen Ausbaustufe 3. Im Ländle will man der Bahn schon seit Monaten ein belastbares Bekenntnis für dieses milliardenschwere Vorhaben abringen, doch wegen der unklaren Finanzierungslage hält der Aufsichtsrat des Staatskonzerns die finale Zusage noch zurück.
So there is a lot of water in the renovation wine that the DB is expected to serve on Saturday in Gernsheim with a view to the pilot project. Even the Swiss Federal Railways were interested in the Riedbahn and sent employees over, the German state-owned company proudly says – knowing full well that the Swiss always serve as the great role model when it comes to rail. So this time it was the other way around. The big success would be if the Swiss continued to visit German rail construction sites in the future to get inspiration. Of course, that is more than uncertain.