Das New Yorker Berufungsgericht hat ein Urteil gegen Harvey Weinstein wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung aufgehoben. Das höchste Gericht im Bundesstaat New York begründete die Entscheidung am Donnerstag mit Verfahrensfehlern in dem historischen Prozess gegen den früheren Hollywoodproduzenten.
Der Zweiundsiebzigjährige war im Jahr 2020 in New York wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Die Anklage beruhte auf Vorwürfen der Schauspielerinnen Miriam Haley und Jessica Mann. Drei weitere Frauen sagten ebenfalls gegen Weinstein aus – auf Grundlage eines staatlichen Gesetzes, das Aussagen über „früheres schlechtes Verhalten“ erlaubt, um Muster nachzuweisen. Das Gericht bekräftigte jedoch am Donnerstag, „der Angeklagte habe ein Recht darauf, nur für die ihm vorgeworfenen Taten verurteilt zu werden“.
Die Richter des Berufungsgerichts erklärten, die Verurteilung Weinsteins habe sich vor allem gegen sein Verhalten in der Vergangenheit gerichtet. Damit folgten sie der Argumentation von Weinsteins Anwälten, die Berufung eingelegt hatten: „Es wurde über seinen Charakter gerichtet, aber nicht über die Beweise“, hatten sie erklärt. Weinstein sei als „Posterboy“ der MeToo-Bewegung nicht gerecht behandelt worden.
Einer seiner Verteidiger sagte der „New York Times“ am Donnerstag, die Entscheidung sei „nicht nur ein Sieg für Herrn Weinstein, sondern für jeden Strafverteidiger im Bundesstaat New York“. Die Schauspielerin Katherine Kendall, eines der mehr als 80 mutmaßlichen Opfer Weinsteins, sagte, sie sei schockiert: „Das ist eine schreckliche Erinnerung daran, dass Opfer sexueller Übergriffe einfach keine Gerechtigkeit erfahren.“
Rechtlich umstrittenes Urteil
Auch andere Frauen, die sich in der MeToo-Bewegung engagieren, zeigten sich entsetzt. In der Öffentlichkeit gilt Weinstein als abgeschrieben, ein verurteilter Sexualstraftäter, dem Dutzende Frauen seit Jahren sexuelle Übergriffe vorwerfen. Aber rechtlich gesehen war das Urteil in New York schon seit seiner Bekanntgabe umstritten.
Erst im Februar hatten New Yorker Juristen darüber diskutiert, ob Weinsteins Verurteilung in New York nach einwandfreien Argumenten erfolgt war. „Ich bin nicht schockiert“, sagte eine frühere New Yorker Staatsanwältin der „New York Times“. Es sei ein schmaler Grat gewesen, die Entscheidung hätte „so oder so ausgehen können“.
Ob es zu einem neuen Prozess kommt, muss nun der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, der auch den früheren amerikanischen Präsidenten Donald Trump wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor Gericht gebracht hat.
Weinstein befindet sich derweil weiter in Haft, weil er 2022 in Kalifornien wegen einer weiteren Vergewaltigung zu 16 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Die ersten Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründer der Filmgesellschaften Miramax und The Weinstein Company waren im Jahr 2017 laut geworden und hatten die MeToo-Bewegung ausgelöst.