Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag nach einer hoch emotionalen Debatte hinter den Kurs der Parteispitze in der Asylpolitik gestellt. Ein Antrag der Grünen Jugend, wonach grüne Regierungsmitglieder keine Asylrechtsverschärfungen mehr mittragen dürften, scheiterte. Vizekanzler Robert Habeck hatte in der Debatte vor einem „Misstrauensvotum“ gewarnt. Die Wahrheit sei, „dass dieser Antrag auffordert, die Regierung zu verlassen“.
„Diese Abstimmung wird Konsequenzen haben für das Regierungshandeln, für uns in der Regierung“, hatte Habeck zu dem Antrag der Grünen Jugend gesagt. Es handele sich nicht um einen Änderungsantrag, sondern „es ist ein Misstrauensvotum in Verkleidung, das in Wahrheit sagt, verlasst die Regierung“. Das werde dann „nur dazu führen, dass andere die Politik machen und dadurch wird sich nichts verändern“, mahnte der Grünen-Wirtschaftsminister.
Außenministerin Annalena Baerbock sagte in der Debatte: „Wir regieren, weil wir Verantwortung tragen.“ Bei Annahme des Antrags der Grünen Jugend „können wir nicht verhandeln“, weder auf EU-Ebene noch in der Ministerpräsidentenkonferenz noch im Bundeskabinett.
Stolla: „Wer den Rechten hinterherläuft, der gerät in Stolpern.“
Zahlreiche junge Rednerinnen und Redner hatten zuvor Zustimmung zu dem Änderungsantrag gefordert. Sie kritisierten „Vorurteile und Populismus“ in der migrationspolitischen Debatte. Die Ärmsten der Gesellschaft würden gegeneinander ausgespielt, heißt es in dem Änderungsantrag. Die Grünen dürften sich „nicht daran beteiligen, vermeintliche Handlungsfähigkeit durch Scheinlösungen zu demonstrieren“.
In ihrem Antrag hieß es: „Weiteren Asylrechtsverschärfungen, wie etwa restriktiveren Regelungen für Rückführungen, der Kürzung von Sozialleistungen für Geflüchtete, der Absenkung von Schutzstandards, einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, Schnellverfahren an Außengrenzen, der Unterbringung von Flüchtenden in Außengrenzlager sowie der Zurückweisung von Flüchtenden in vermeintlich sichere Drittstaaten dürfen weder die grünen Minister*innen in Bund und in den Ländern noch grüne Fraktionen zustimmen.“
Die neue Bundessprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, sagte, es gebe keinen Grund für weitere Asylrechtsverschärfungen. „Wer den Rechten hinterherläuft, der gerät in Stolpern“, so Stolla. Sie forderte „Politik aus Liebe zu allen Menschen und nicht Politik aus Liebe zum Koalitionspartner“.
Nouripour will auch über Rückführung sprechen
Parteichef Omid Nouripour verteidigte hingegen den Kurs der Grünen in der Bundesregierung. „Wir als Regierungspartei werden daran gemessen, ob wir Antworten liefern“, sagte Nouripour. Es müsse Lösungen etwa für die Situation am Wohnungsmarkt und für die Integration geben, die in vielen Kommunen kaum noch möglich sei. Es gehe darum, alles dafür zu tun, „damit die Belastung überschaubar und beherrschbar wird“, betonte der Grünen-Vorsitzende. Deshalb trage der Dringlichkeitsantrag des Parteivorstands die Überschrift „Humanität und Ordnung“.
Es müsse auch über das Thema Rückführung geredet werden, sagte Nouripour. Wer ein Einwanderungsgesetz mache, überlege, wer kommen solle „und wer nicht“. In dem Dringlichkeitsantrag des Parteivorstands heißt es: „Steuerung, Ordnung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu.“ Darin wird auch davor gewarnt, dass die Politik die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verliere, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkomme.
Der Kölner Delegierte Leon Schlömer sagte, er könne in Deutschland eine „Debattenverschiebung nach Rechts“ erkennen. „Die Antwort auf den Rechtsruck in der Gesellschaft kann doch nicht sein, den Faschisten immer weiter entgegenzukommen.“ Ebenso wie andere junge Rednerinnen und Redner forderte er, die Grünen müssten die Partei sein, „die sagt: Kein Mensch ist illegal“.
Der Parteitag beschloss schließlich den Antrag des Grünen-Vorstands, in dem es heißt: „Steuerung, Ordnung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu.“ Darin wird auch davor gewarnt, dass die Politik die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verliere, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkomme.