Seit Monaten wartet die EU auf die Antwort der südamerikanischen Mercosur-Staaten. Die EU hatte Nachbesserungswünsche zu dem seit 2019 auf Eis liegendem Handelsabkommen gestellt. Am Donnerstag kam endlich die Antwort und die hat es trotz aller Kürze in sich. Das vertrauliche Papier von knapp einer Seite liegt der F.A.Z. vor.
Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay erklären sich darin bereit zu einer Zusatzerklärung zu dem Abkommen, um den von der EU geforderten, besonderen Schutz des Regenwalds festzuschreiben. Die Verhandlungen sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Vor allem Brasilien hatte die Forderungen der EU zum Schutz von Regenwald und Arbeitnehmerrechten bisher als als protektionistisch und paternalistisch abgelehnt.
Die Mercosur-Staaten knüpfen das aber an fünf Bedingungen. Relativ unproblematisch dürfte für die EU sein, dass beide Seiten nicht darin gehindert werden sollen, neue Gesetze zum Schutz von Umwelt, Gesundheit und Klima zu erlassen. Zudem fordern die Mercosur-Staaten finanzielle Hilfen dafür, die Lieferketten nachhaltig zu gestalten und die hohen Standards der EU zu erfüllen.
Zankapfel Nachhaltigkeitsvorgaben
Heikel sind vor allem zwei Punkte. So stellen die vier Staaten klar, dass sie nicht bereit sind, Sanktionen für Verstöße gegen die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzvorgaben der Zusatzerklärung zu akzeptieren. Sie gehen sogar noch weiter. Es dürfe noch nicht einmal die „Verhängung von Sanktionen angedeutet werden“, heißt es im Text.
Die EU-Kommission hat in ihrem Entwurf für die Zusatzerklärung aus dem Frühjahr selbst solche Sanktionen nicht offensiv ins Spiel gebracht. Die Kritiker des Mercosur-Abkommens fordern aber genau das. Dazu gehören Klimaschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen, Grüne und Sozialdemokraten.
Von den Staaten sperren sich allen voran Frankreich und Österreich unter Berufung auf den Regenwaldschutz gegen das Abkommens in der bisherigen Form. Es geht ihnen allerdings auch um den Schutz der heimischen Bauern vor der Konkurrenz aus Südamerika.
„Ausgleichsmaßnahmen“ gegen EU-Gesetze
Der zweite heikle Punkt umfasst nur einen Satz, könnte aber eine Einigung noch mehr erschweren. Die Mercosur-Staaten fordern darin einen neuen Mechanismus, um „Ausgleichsmaßnahmen“ ergreifen zu können, wenn Gesetze der EU die im Handelsabkommen vereinbarte Marktöffnung einschränken oder wertlos machen. Sie könnten dann den Handel etwa durch Strafzölle wieder einschränken – zumindest solange die EU die Mercosur-Staaten nicht davon ausnimmt.
Das zielt etwa auf das EU-Entwaldungsgesetz. Mit dem knüpft die EU die Einfuhr von Waren künftig an den Nachweis, dass für die Produktion kein Regenwald gerodet wurde. Auch die neue CO2-Grenzabgabe CBAM, die von Anfang Oktober zu greifen beginnt, und das derzeit verhandelte EU-Lieferkettengesetz könnten unter diesen Mechanismus fallen.
Ob auf dieser Basis eine Einigung auf die Zusatzerklärung bis Ende des Jahres möglich ist, ist unklar. Das Mercosur-Abkommen würde einen Markt mit mehr als 700 Millionen Menschen schaffen. Es gilt auch symbolisch als zentrales Element der EU-Strategie, sich von China zu entkoppeln. Die Einigung auf das eigentliche Abkommen erfolgte 2019 nach zwei Jahrzehnten Verhandlungen. Wegen des Widerstandes aus Frankreich, Österreich und anderen Staaten, ist es aber noch nicht ratifiziert.