Painting With Light“, mit Licht malen, heißt ein Buch, das der Kameramann John Alton 1949 veröffentlichte. Alton hatte einige exemplarische Filme der Schwarzen Serie fotografiert, und er wusste, was der Film noir einem Murnau oder Fritz Lang verdankte. „Malen mit Licht“, so ließe sich auch die Kunst Caravaggios (1571–1610) charakterisieren, dem das Kino viel verdankt.
Der Brite Derek Jarman hat, als er 1986 seinen Film „Caravaggio“ drehte, gesagt: Wäre der Maler im 20. Jahrhundert wiedergeboren worden, dann als Filmemacher, als Pasolini. Weil dieser Michelangelo Merisi, der sich nach dem Herkunftsort seiner Eltern Caravaggio nannte, auch ein bewegtes Boheme-Leben führte, zur Gewalttätigkeit neigte und wegen Totschlags 1606 aus Rom verbannt wurde, ist es erstaunlich, dass es bislang nur Jarmans Film gab, obwohl hier ein attraktiver Kinostoff liegt.
Nun hat es Michele Placido versucht, den die Älteren vor allem als unerschrockenen Kommissar Corrado Cattani aus der Serie „Allein gegen die Mafia“ kennen, die Mitte der Achtzigerjahre auch im deutschen Fernsehen lief. Dominik Graf bescheinigte dem schon damals leicht ergrauten, heute 77-jährigen Schauspieler „die Aura eines herrischen Priesters“.
Da passt es, dass Placido in „Der Schatten von Caravaggio“ den Kardinal Del Monte spielt, einen der Gönner und Auftraggeber des Malers. Placido hat auch die Regie übernommen und war am Drehbuch als Ko-Autor beteiligt. Riccardo Scamarcio spielt den Maler, er ähnelt Merisi, wenn denn die vermuteten Selbstporträts Caravaggios wirklich solche sind, er übertreibt es auch nicht (oder nur selten) mit dem Rollenmodell vom wilden, ausschweifenden Genie.
Um nicht wie eine schlichte Künstlerbiographie zu wirken, hat das Drehbuch eine andere erzählerische Struktur. Eine fiktive Gestalt wird eingeführt, ein Mann der Inquisition, genannt „der Schatten“, den Louis Garrel bleich und mit minimalistischer Mimik spielt. Er soll im päpstlichen Auftrag prüfen, ob Caravaggio eine Begnadigung verdient hat.
Zu diesem Zweck verhört er, bei Bedarf auch schon mal mit einer Art frühneuzeitlichem Waterboarding, Weggefährten und Mäzene, die sich in Rückblenden an Caravaggio erinnern. So wird die lineare Erzählung immer wieder perforiert, und zentrale Episoden aus dem Malerleben finden Eingang.
Das Licht und die Gesichter
Natürlich fehlt da nicht, was das Bild vom rebellischen Künstler beförderte, der für seine biblischen Sujets als Modelle Prostituierte, Bauern oder Kleinkriminelle wählte und keine hehren reinen Idealgestalten. Es sind tatsächlich die Gesichter, die bei Caravaggio so faszinieren, aber eben auch die erdigen Farbtöne, die reduzierte Palette, und es ist das Licht, schräg einfallendes Schlaglicht ohne Streuung, das dramatisiert und eine besondere Härte und Räumlichkeit erzeugt.
Placido und sein Kameramann Michele D’Attanasio sind nicht so naiv, das alles kopieren oder möglichst viele Gemälde mitten im Künstlerleben nachstellen zu wollen, um den mimetischen Charakter zu beglaubigen. Das Chiaroscuro, das Spiel von Hell und Dunkel, wird dosiert und wirkungsvoll eingesetzt, und einmal gibt es eine wirklich starke Szene, die einer Hommage des Kinos an die Malerei gleicht.
Da versammeln sich Menschen um das Bett einer Sterbenden, die Kamera bewegt sich darauf zu – und nach einem harten Schnitt ist auf einmal „Tod der Jungfrau“ zu sehen. Das Gemälde hängt heute im Louvre und wurde 1606 von der Kirche Santa Maria della Scala in Trastevere als Altarbild abgelehnt. Die Frau im roten Kleid mit den nackten Füßen, dem aufgequollenen Körper, die Abwesenheit aller Zeichen des Sakralen, das war zu viel für eine Maria.
Placidos Film bemüht sich auch um Genauigkeit, was die historischen Verhältnisse und die handelnden Personen angeht wie den Kardinal Scipione Borghese oder die Marquise Costanza Colonna (Isabelle Huppert), der allerdings noch eine Affäre mit dem Maler angedichtet wird. Wo sich Jarman vor allem für Zeichen der Queerness an Caravaggio interessierte und moderne Requisiten wie Taschenrechner oder Zigaretten zur Stilisierung benutzte, verfährt Placido deutlich konventioneller und biederer. Sein Einfall, Caravaggio im Gefängnis auf Giordano Bruno treffen zu lassen, den Ketzer, der 1600 verbrannt wurde, ist nicht sehr ergiebig, denn der Philosoph deklamiert pompös wie auf dem Theater.
Ohnehin ist der Hang zur theatralischen Spielweise auffällig. Das wird noch verstärkt durch die mitunter gestelzten Dialogtexte, die sich aus historischen Filmen offenbar schwerer entfernen lassen als Kaugummi von der Schuhsohle. So bewegt sich die Handlung mit einigen Längen zum Showdown des Malers mit seinem Schatten, der allen Ernstes verlangt, Caravaggio möge der Kunst abschwören. „Ihr habt meine Kunst betrachtet, ohne sie zu sehen“, erwidert der Maler, was kein sonderlich smarter Satz ist, da die Kirche sehr genau gesehen und verstanden hat, was dieser Michelangelo Merisi mit Licht und Farbe tat.