Schon wieder brannte ein Koran in Stockholm. Derselbe Zündler, ein irakischer Flüchtling, hatte die Heilige Schrift des Islams schon zuvor mit Füßen getreten, Seiten herausgerissen, Schweinespeck zwischen die Deckel gepresst. In Dänemark waren es Rechtsextreme, die den Koran in Brand steckten. Ein Video zeigt, wie eine Frau ihnen das Buch noch entreißen will und dann von Männern mit dem Schriftzug „Fuck Islam“ auf dem Rücken zu Boden gerungen wird. Die einschreitende Polizei gibt den Koran schließlich den Neonazis zurück.
Die islamische Welt reagierte empört, doch in Skandinavien zucken sie nur bedauernd mit den Schultern: Nicht schön, aber das sei eben Meinungsfreiheit. So liest man es in den Leitartikeln schwedischer Tageszeitungen, und so erklärte es auch der schwedische Ministerpräsident immer wieder. „Nicht alles, was legal ist, ist auch angemessen“, mahnte Ulf Kristersson zwar. Aber am Ende gehe es doch vor allem darum, „unsere freien und offenen Gesellschaften zu verteidigen“. Und auch Jens Stoltenberg, selbst Norweger, aber als NATO-Chef besorgt, dass Erdogan den Schweden doch noch den Zutritt zum Bündnis verweigert, sagte: Er möge diese Proteste zwar nicht. „Aber ich verteidige das Recht, anderer Meinung zu sein.“
Das klingt gut und richtig, gerade angesichts der Bilder aus Bagdad, wo ein Mob die schwedische Botschaft stürmte. Wer wollte unsere liberalen Gesellschaften nicht vor solchen Eiferern verteidigen? Kennt man nicht die selbst ernannten Rächer des islamischen Propheten? Hat man nicht noch den Schrecken in den Gliedern ob ihrer schrecklichen Taten hier in Europa?
2004 ermordete ein Fanatiker den holländischen Filmemacher Theo van Gogh, weil er in einem Film Körper von Missbrauchsopfern zeigte, beschrieben mit Suren aus dem Koran. 2012 richteten Islamisten ein Massaker in den Redaktionsräumen von „Charlie Hebdo“ an, wegen ein paar Mohammed-Karikaturen. 2020 enthauptete ein Islamist den französischen Lehrer Samuel Paty, weil er ebenjene Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte.
Auch in Deutschland wurden mal Bücher verbrannt
Doch einen Koran vor einer ausländischen Botschaft zu verbrennen ist weder Satire noch Kunst. Wer eine Heilige Schrift mit schmutzigen Schuhen herumkickt wie einen Fußball, übt keine Religionskritik, sondern sät Hass. Auch in Deutschland wurden mal Bücher verbrannt. Daran erinnerte gerade der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf, als er sagte: „Wenn Bücher verbrennen, dann entsteht auch bald die Gefahr, dass Menschen verbrennen.“ In zivilisierten Gesellschaften hat auch die Meinungsfreiheit Grenzen, werden religiöse Minderheiten vor Hetze und Aufruhr geschützt.
Die schwedische Regierung sollte etwas weniger Rücksicht auf die Rechtspopulisten nehmen und etwas mehr auf die Muslime im eigenen Land. Die haben bisher äußerst friedlich gegen die Koranverbrennungen protestiert.
Einer von ihnen hatte kürzlich angekündigt, eine Thora und eine Bibel vor der israelischen Botschaft anzuzünden. Als die Polizisten dann alle bereitstanden, um den Akt freier Meinungsäußerung zu verteidigen, warf der Mann das Feuerzeug auf den Boden und ging. Er habe natürlich nie vorgehabt, ein heiliges Buch zu verbrennen, sagte er. „Wir leben doch hier alle zusammen und müssen uns respektieren.“ So viel Fingerspitzengefühl wäre auch der schwedischen Regierung zu wünschen.