Die AfD will die CDU vernichten. Das sagte Friedrich Merz vergangene Woche im Bundestag, und er hat recht. Für manche, die sich eine schwarz-blaue Koalition wünschen, dürfte das eine schlechte Nachricht sein. Denn in einem solchen Bündnis würde einer der Partner pulverisiert, und ziemlich sicher nicht die AfD. Sie sucht die Krise, und wo noch keine ist, versucht sie, eine herbeizuführen.
So auch innerhalb der CDU. Deren Wähler will die AfD für sich gewinnen, daraus macht die Parteispitze keinen Hehl. Alle anderen Parteien seien weitgehend abgeschöpft, lautet die interne Analyse. Bei SPD und FDP sei nichts mehr zu holen, dementsprechend gerupft stünden die da. Anders die Union. Da gebe es noch Potential, und zwar nicht zu knapp.
Den einen soll die CDU zu links scheinen, den anderen zu rechts
Das ist auch Merz’ Verdienst. Die CDU-Wähler waren zuletzt nicht so leicht zu kriegen, weil sie Vertrauen in den Kanzlerkandidaten setzten, dem es in den vergangenen Monaten immer wieder gelang, zusammenzuführen. Angela Merkel und Markus Söder bestätigten: Er kann es. Das beruhigte viele – und beunruhigte die AfD.
Die will die CDU spalten, so tief, dass sie irgendwann allen Anhängern fremd ist. Den einen soll sie zu links scheinen, den anderen zu rechts. Um diese Deutung zu verbreiten, beschreiben ihre Politiker Merz mal als Linksgrünversifften, mal als Raubkopierer des AfD-Wahlprogramms. Dass das nicht zusammenpasst, ist egal, es reicht, wenn die Behauptungen Ängste der Zielgruppen auslösen.
Ein Beispiel: Als am Mittwoch die AfD der Union zur Mehrheit im Bundestag verhalf, tat die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch so, als sei eine künftige Koalition nur noch Formsache. Auf Telegram verkündete sie, es gebe „eine Mehrheit für eine vernünftige Politik“ im Bundestag. Der Richtungswechsel könne kommen.
Zwei Tage später attackierte sie Merz dann dafür, dass dieser an einem privaten Weinabend bei seinem Parteikollegen – Storch schrieb „Merkel-Freund“ – Armin Laschet teilnahm, bei dem auch die Grünen Annalena Baerbock und Katrin Göring-Eckardt zu den Gästen zählten. Das zeige, dass Merz eine Koalition mit den Grünen wolle. Dass er zudem öffentlich einräumte, Merkel habe mit ihrer Intervention am Donnerstag ein Unbehagen ausgedrückt, „das von vielen – auch von mir – geteilt wird“, ließ Storch schlussfolgern, Merz habe vor Merkel kapituliert.
Radikalisierung als Alleinstellungsmerkmal
Diese doppelte Dämonisierung – der Antifa-Merz, der Nazi-Merz – soll die Bürgerlichen aufeinanderhetzen. Das erscheint nur deshalb überhaupt erfolgversprechend, weil es diesen um Werte geht, die sie im Zweifelsfall über Wahlergebnisse stellen. Die AfD, die sich selbst lange in Flügelkämpfen zerfleischte, steht öffentlich zurzeit nicht deshalb geschlossen da, weil ihre Funktionäre sich in allem einig wären. Sie hat schlichtweg verstanden, dass ein fester Keil besser spaltet.
Darum bleibt der Aufstand derer aus, die den Flirt mit Elon Musk als Unterwerfung empfinden; darum schweigen jene, die selbst Angst vor „Remigration“ haben, seit Alice Weidel das Codewort von der Parteitagsbühne rief.
Die Partei deutet ihre Radikalisierung zum Alleinstellungsmerkmal um, indem sie Kompromissbereitschaft als Schwäche diskreditiert. Wohin das führen soll, haben einflussreiche AfD-Politiker wie Björn Höcke schon längst als Ziel ausgegeben: zur absoluten Mehrheit. Keine Partner, keine Kompromisse. Der Vordenker der Neuen Rechten, der Verleger Götz Kubitschek, formulierte in einem Text im Oktober die Hoffnung, dass die AfD zeigen könne, dass eine rechte Partei nicht überall in Europa so „enden“ müsse, dass sie als „jüngste aller Altparteien“ deren Kurs nachahme.
Dementsprechend stellte Weidel die Partei zuletzt auf. Dass sie persönlich offen von „Remigration“ sprach, war nur das deutlichste Signal; noch vor einem Jahr hatte sie sich gegenüber der französischen Rechtsnationalen Marine Le Pen dafür gerechtfertigt, dass AfD-Leute so redeten. Der neue Kurs kommt bei den Rechtsextremen in der Partei gut an – Unionswähler sind damit eher nicht zu gewinnen. Sie sollen zunächst verunsichert werden.
So attackiert die AfD alles, was die CDU tut oder nicht tut, immer mit demselben Fazit: Die AfD kann es besser. Das sagt sich leicht. Vor allem in der Migrationspolitik, denn über kein anderes Thema spricht die AfD so gern und so drastisch.
Aus Sicht der Partei war die vergangene Woche ein Geschenk. Im Streit der anderen über die Frage, welcher Zweck welche Mittel heilige, konnte sie sich als Problemlöser im Wartestand darstellen, wobei die Größe des Problems durch die Heftigkeit des Streits darüber, wie es zu beheben sei, ins Unermessliche gesteigert schien.
„Merz kaputt“, frohlockte der AfD-Politiker Maximilian Krah am Freitagnachmittag auf der Plattform X. So reden Zerstörer. Ihre Macht wächst mit jedem, der ihnen glaubt.