Ein weiterer amerikanischer Technologiegigant sieht sich einer Kartellklage auf seinem Heimatmarkt gegenüber: Die US-Wettbewerbsbehörde FTC hat am Dienstag eine Klage gegen den Onlinehändler Amazon.com eingereicht. Sie wirft ihm vor, auf illegale Weise seine „Monopolmacht“ aufrechtzuerhalten, um den Wettbewerb zu blockieren. „Amazon stellt sicher, dass kein gegenwärtiger oder künftiger Rivale seine Dominanz bedrohen kann,“ schrieb sie in einer Mitteilung. Neben der FTC wurde die Klage auch im Namen der Generalstaatsanwälte von 17 amerikanischen Bundesstaaten eingereicht.
Die Klage gegen Amazon hat sich in den vergangenen Wochen schon abgezeichnet. Damit befinden sich nun einige der größten Technologieunternehmen in Kartellstreitigkeiten mit der US-Regierung. Ende 2020 hat die FTC schon den Internetkonzern Facebook verklagt, der heute Meta heißt. Hier fordert die Behörde eine Zerschlagung. Sie will, dass Meta sich wieder von den einst zugekauften Diensten Instagram und Whatsapp trennen muss.
Im Herbst 2020 hat das Justizministerium, die zweite maßgebliche Kartellinstanz des Landes, eine Klage gegen Google eingereicht und dem Unternehmen vorgeworfen, seine Monopolposition in der Onlinesuche und damit verbundener Werbung mit illegalen Mitteln aufrechtzuerhalten. Dieses Verfahren ist von all den großen Auseinandersetzungen am weitesten vorangeschritten, vor rund zwei Wochen begann ein Gerichtsprozess. Anfang dieses Jahres verklagte das Justizministerium Google noch ein weiteres Mal, diesmal ging es um Technologien für Onlinewerbung. Der Ministerium führt auch Kartellermittlungen gegen den Elektronikkonzern Apple, hier ist es bislang aber noch zu keiner Klage gekommen.
FTC: Amazon kann Drittverkäufern „effektiv unsichtbar“ machen
Die FTC sagte am Dienstag, sie verklage Amazon nicht wegen seiner schieren Größe, sondern wegen seines Verhaltens, das Wettbewerber in Schach hält. Im Mittelpunkt der Klage steht vor allem Amazons Umgang mit Drittverkäufern, die Waren auf seiner Plattform anbieten. Beispielsweise gebe es „Anti-Discount-Maßnahmen“, die diese Partner dafür bestraften, wenn sie ihre Waren auf anderen Plattformen als Amazon günstiger anbieten. In dem Fall könne Amazon diese Waren so weit unten in seinen Suchergebnissen „begraben“, dass sie „effektiv unsichtbar“ seien. Amazon sorge außerdem dafür, dass die Drittverkäufer sein „Prime“-Versandprogramm nur dann in Anspruch nehmen könnten, wenn sie auch die „kostspieligen“ Logistik-Dienste des Onlinehändlers nutzten.
Diese wettbewerbswidrigen Praktiken führen nach Auffassung der Behörde zu höheren Preisen und niedrigerer Qualität. Sie erschwerten es gegenwärtigen und künftigen Wettbewerbern, eine „kritische Masse“ von Käufern und Verkäufern auf ihre Plattform zu holen. Sie berührten Handelsumsätze von mehreren hundert Milliarden Dollar im Jahr. Die FTC ließ zunächst offen, welche konkreten Maßnahmen gegen Amazon sie für angemessen hält, also ob sie sich zum Beispiel eine Zerschlagung vorstellt.
Amazon wies die Vorwürfe der Behörde scharf zurück. „Die heutige Klage macht klar, dass der Fokus der FTC sich radikal von der Mission entfernt hat, Verbraucher und den Wettbewerb zu beschützen.“ Amazon habe geholfen, Verbrauchern niedrigere Preise seinen Drittverkäufern größere Geschäftschancen zu bieten. Bekäme die FTC recht, führte das zuu höheren Preisen, weniger Auswahl und langsamerer Belieferung – „dem Gegenteil dessen, wofür das Kartellrecht konzipiert ist“.
Amazon bereits auf EU-Ebene verklagt
Amazons Doppelrolle als Händler und Betreiber einer Plattform für Drittanbieter war auch Gegenstand zweier Kartellverfahren der EU-Kommission. Sie wurden im vergangenen Dezember im Gegenzug für einige Zugeständnisse von Amazon beigelegt.
Die Kartellklage gegen Amazon hat eine besondere Brisanz. Lina Khan, die seit gut zwei Jahren amtierende FTC-Chefin, hat sich einst als wortgewaltige Kritikerin des Onlinehändlers einen Namen gemacht. 2017, als sie noch Studentin an der Eliteuniversität Yale war, veröffentlichte sie einen viel beachteten Aufsatz mit dem Titel „Amazons Kartellparadox“, in dem sie ihm vorwarf, seine Monopolstellung auszunutzen.
Amazon hat mit Verweis auf solche kritischen Äußerungen beantragt, Khan solle sich wegen Befangenheit aus allen wettbewerbsrechtlichen Ermittlungen gegen das Unternehmen heraushalten. Das tat sie aber bisher nicht, und nun hat sie offiziell einen Kartell-Showdown losgetreten. Sie sagte am Dienstag, die Klage solle „das verlorene Versprechen freien und fairen Wettbewerbs wiederherstellen“.