Wahrscheinlich blicken nicht wenige Menschen mit Unbehagen in ihr Abi-Buch, ist die Jugend doch eine Phase der Selbstfindung, deren Dokumentation durch oft mäßig begabte Fotografen man weit hinter sich lassen möchte. Umso verwunderlicher scheint es auf den ersten Blick, dass derzeit in den sozialen Medien Instagram und Tiktok der Hashtag „yearbook“ oder „90s-yearbook-challenge“ trendet. Darunter werden Jahrbuchfotos im Stil von High-School-Porträts der Neunzigerjahre gepostet – generiert von der Künstlichen Intelligenz der App Epik.
Die Anwendung erlaubt es den Nutzern, Selfies in Bilder zu verwandeln, die den Eindruck erwecken, sie selbst waren vor dreißig Jahren Schüler an einer amerikanischen Oberschule. Zahlreiche Prominente posteten Bilder von sich, die mit Epik erstellt wurden, darunter internationale Stars wie der Rapper Snoop Dogg, Terminator-Darsteller Arnold Schwarzenegger oder die Schauspielerin Keke Palmer. Letztere hat die App wohl mehrmals verwendet, einmal mit der Option „männlich“ und einmal mit der Option „weiblich“. Ihre maskuline High-School-Jahrbuch-Version entsprach wohl eher ihrer Selbstwahrnehmung, wie sie unter dem Post kommentierte.
Die App verwandelt Hummels in fast jedes erdenkliche High-School-Klischee
Auch deutsche Promis wie die Reality-TV-Darstellerin Daniela Katzenberger und der Moderator Kai Pflaume sprangen auf den Trend auf. Beide posteten neben den künstlich erstellten Porträts auch echte Jugendfotos, was der wohl eigentlichen Aufgabe der Challenge entspricht. Influencerin Cathy Hummels verzichtete bei ihrem Post darauf. „Ich sah früher tatsächlich so aus. Ich hatte viele Ichs“ kommentierte sie den Zusammenschnitt der Bildauswahl, die ihr die K.I. zur Verfügung gestellt hatte. Während Britney Spears „Baby One More Time“ im Hintergrund dudelt, präsentieren sich ihre jugendlichen Versionen vor der meist grau-blau-melierten Fotowand. Ob in der Schuluniform eines Mädchens der New Yorker Upper Class, als Basket- oder Baseballspielerin, Ghettoqueen, Girlie im Paris-Hilton-Look, Abschlussball-Prinzessin oder die klassische, brave amerikanische Schönheit, die App verwandelt Hummels in fast jedes erdenkliche High-School-Schülerinnen-Klischee.
Ebenfalls dabei ist ihr früherer Ehemann, der Fußballspieler Mats Hummels. Sein Arbeitgeber Borussia Dortmund postete wenige Tage vor der Amerikareise der deutschen Nationalmannschaft eine Zusammenstellung der gefälschten Jahrbuchfotos des Innenverteidigers. „@aussenrist15 wohl schon früher mal auf USA-Reise gewesen“, kommentiert das Social-Media-Team der Borussen den Clip. Mit Eintracht Frankfurt und RB Leipzig versuchten zwei weitere Bundesligisten von der Furore um Epik zu profitieren.
Als seien sie dem Cast einer High-School-Komödie entsprungen
Dass die App Bilder in der Ästhetik des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts erstellt, könnte auch mit dem jüngsten Revival der Neunziger und Nullerjahre in der Mode zusammenhängen. Gerade bei der Generation Z liegen Klamotten aus der Zeit rund um die Jahrtausendwende im Trend. Auf deutschen Straßen sieht man junge Menschen in Baggys, Low-Rise-Jeans und Crop-Tops durch die Innenstädte streifen. Dass auf die modische und popkulturelle Zeitreise auch eine digitale folgt, scheint schlüssig zu sein.