Man wird sich noch zurücksehnen nach: den ganz normalen Verspätungen; den inzwischen auch zur Routine gewordenen und also nicht weiter kommentierbedürftigen, oft erst im letzten Moment bekannt gegebenen Zugausfällen – „Verbindung fällt aus“, einfach so; nach den kaputten Toiletten; den nichts oder nur kalte Speisen anbietenden Bordbistros; den im Sommer defekten Klimaanlagen; den im Winter defekten Heizungen und den vereisten Gleisen; der schon Kilometer vor dem Bahnhof auf Schneckentempo gedrosselten, minutenlang oft völlig zum Stillstand kommenden Fahrt; und nach vielem mehr.
Was – 2070 schon? Ein Wimpernschlag
Denn im Rückblick waren das ja paradiesische Zustände, ein goldenes Bahn-Zeitalter geradezu, selbst da noch, als man blankziehen und zugeben musste, dass der sogenannte Deutschland-Takt mit (halbwegs) pünktlichen Zügen und ICE-Anbindung für jede größere Stadt wohl erst 2070 vollumfänglich gelten würde. 2070 – ein Wimpernschlag, think big! Der Tag würde schon noch kommen, an dem selbst der verblendetste Ideologe, der die Infrastruktur allein in öffentlicher Hand sehen will, zugeben müsse, dass Deregulierung, Wettbewerb und Privatisierung sich auf die Dauer eben doch auszahlen, wenn auch erst um das Jahr 2070 und nur fürs Unternehmen selbst. Satte Gewinne sollte die Deutsche Bahn einmal machen, wie Krankenhäuser oder Wasserwerke auch.
Nachdem man aber dahintergekommen war, dass das Kaputtsparen für ein dermaßen komplexes und störanfälliges System vielleicht doch nicht das Richtige ist, fasste man eine Generalsanierung ins Auge. Mit ihr, so die sich auch unter den Fahrgästen ausbreitende Hoffnung, würde sich alles zum Besseren wenden. Bis dahin wäre noch manches dunkle, verstopfte Tal zu durchkriechen; aber nach der Instandsetzung, vor allem der Gleise – Neustrecken waren typischerweise so gut wie nicht vorgesehen –, würde dann für lange Zeit Ruhe sein. Man hätte fast meinen können, hier wäre so etwas wie ein politischer Wille am Werk.
Sich lieber nicht vor halb Europa blamieren
Zwar mochte sich, wer zum Beispiel auf die Strecke Frankfurt–Mannheim angewiesen ist, bang und immer bänger fragen, wie das denn eigentlich funktionieren würde: die Riedbahn, Deutschlands wichtigste Strecke, komplett gesperrt, drei Wochen im kommenden Januar und dann fünf Monate im Sommer, natürlich erst nach der Fußball-EM, denn halb Europa, das dann zu Gast bei Freunden ist, sollte dann lieber nicht mitbekommen, in welchem Zustand die öffentlichen Verkehrsmittel hier sind. Aber als Ersatz sind unter anderem „Busse“ angekündigt. Die vielen Pendler aus Rhein-Main und Rhein-Neckar können sich also jeden Tag aufs Neue auf eine Reise gefasst machen, die so gemütlich und umständlich werden dürfte wie eine Butterfahrt.
Das waren, für sich genommen, schon keine rosigen Aussichten, aber, abgesehen von den dann schrittweise übers ganze Land verhängten Streckenvollsperrungen, immer noch ein schleichender Prozess, bei dem die Leute gar nicht richtig mitbekommen, was alles nicht mehr richtig funktioniert – wie der Frosch aus dem sich langsam erwärmenden Wasser auch nicht rausspringt. Denn schon länger und immer häufiger wird in den Internetfahrplänen „Reparatur“ als Grund für Ausfälle oder für Verspätungen geltend gemacht. Doch am Ende, nach allerdings gewaltiger Durststrecke, würde man 4000 Kilometer sanierte Gleise haben, Teil des gut doppelt so langen „Hochleistungsnetzes“. Hochleistung – drunter macht man es ja nicht.