Es ist bei den Republikanern zwar eher die Regel als die Ausnahme, dass der Sieger der ersten Vorwahlen am Ende gar nicht als Präsidentschaftskandidat nominiert wird: Donald Trump selbst war 2016 in Iowa mit gut 24 Prozent nur auf Platz zwei gekommen, ebenso wie vier Jahre zuvor Mitt Romney. Ron DeSantis und Nikki Haley mögen darauf verweisen. Doch beide wissen, dass die Vergleiche hinken. Denn die eigentliche Sensation lautet, dass Trump mehr als die Hälfte der Stimmen geholt hat.
Mehr noch, laut Wählerbefragung lag er in fast jeder Gruppe vorn: bei Frauen wie Männern, bei Arbeitern wie Akademikern, in allen Altergruppen über 30 – und sogar bei denen, die gar nicht als eingetragene Republikaner, sondern als „Unabhängige“ an den Vorwahlen teilnahmen. Auch die wegen des Wetters niedrige Wahlbeteiligung schadete dem Favoriten nicht. Ein weiterer Anlass zur Sorge für Trumps Mitbewerber: Zwei Drittel aller Wähler in Iowa hatten ihre Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen. Sie wollen ihren Trump zurück.
Amerika hatte Trump satt – dann kamen die Anklagen
Das ist ein beispielloses Comeback für den 2020 abgewählten Präsidenten. Noch vor 14 Monaten schienen die Kongresswahlen den Beweis erbracht zu haben, dass das Land seiner überdrüssig war. Etliche von ihm propagierte Kandidaten fielen bei den Wählern durch. Viele Parteistrategen hätten sich damals gewünscht, dass der verbittert um sich selbst und seinen vermeintlich „gestohlenen“ Wahlsieg von 2020 kreisende Trump sich weniger in den Vordergrund geschoben hätte.
Ausgerechnet die Anklagen gegen den früheren Präsidenten, dem 91 Straftaten von Dokumenten- bis Wahlfälschung vorgeworfen werden, ließen ihn wieder Tritt fassen. Die Wehleidigkeit, mit der er seinen Auszug aus dem Weißen Haus betrauerte, wurde in den Augen seiner Anhänger wieder zum bewundernswerten Kampf wider die Unterdrückung ihrer konservativen Lebensweise.
Trump spricht auf Kundgebungen zwar überwiegend über sich selbst und muss dieses Jahr in vier Strafprozessen auf der Anklagebank Platz nehmen. Ihm aber bescheinigten vier von fünf seiner Wähler in Iowa: „Er kämpft für Leute wie mich.“ De Santis und Haley billigten das selbst von den eigenen Wählern nur Minderheiten zu.
Wäre sie wenigstens auf Platz zwei gelandet, zöge Haley nun mit Schwung weiter nach New Hampshire; dort, wo ein Teil der Republikaner Wählerschaft etwas liberaler tickt, spürt Trump laut Umfragen immerhin ihren Atem im Nacken. Doch Iowa dimmt Haleys Hoffnung, aus dem Vorwahlkampf schnell ein Er-oder-sie-Rennen zu machen.
Noch besser als das Wahlergebnis fiel für Trump dort die repräsentative Wählerbefragung aus: Zwei Drittel aller Vorwahlteilnehmer sind demnach mit Trump überzeugt, dass Biden die Wahl 2020 nicht mit legitimen Mitteln gewonnen habe. Fast ebenso viele – also auch Unterstützer anderer Kandidaten – fänden nichts dabei, Trump trotz einer Verurteilung zum Präsidenten zu wählen. Diese Zahlen sind in vielen Bundesstaaten ähnlich. Deshalb tun sich DeSantis und Haley so schwer, Trump frontal anzugreifen.
Und deshalb taugt auch Joe Bidens Odyssee von 2020 nicht als Trost für Trumps republikanische Konkurrenz. Der Demokrat verlor vor vier Jahren die ersten drei Vorwahlen teils krachend, konnte dann aber doch noch die Partei hinter sich versammeln. Trump zu stoppen, war damals der gemeinsame Wunsch aller Linken, und Biden überzeugte seine Kritiker, dass er dazu am besten in der Lage sei.
In der Republikanischen Partei aber scheint der Wunsch, Biden aus dem Weißen Haus zu vertreiben, nicht der alles beherrschende Wunsch zu sein. Große Teile der Basis wollen in erster Linie mit Trump Rache nehmen. Da haben ihnen DeSantis und Haley wenig zu bieten.