Der Wohnungsmangel treibt mitunter merkwürdige Früchte: 1690 Euro Kaltmiete im Monat für eine Dreizimmerwohnung von 78 Quadratmetern ist für die Stadt Frankfurt ein klarer Fall von Mietwucher. Schließlich handelt es sich mitnichten um eine Luxuswohnung, sondern um ein eher durchschnittliches Exemplar, für das die ortsübliche Vergleichsmiete bei 900 Euro liegt. Mit 80 Prozent ist das eine „Mietpreisüberhöhung“, wie sie im Buche steht, konkret in Paragraph 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes. Danach ist der Mietwucher eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann – wenn der Nachweis erbracht werden kann.
Verfahren gibt es dazu allerdings selten, Juristen halten diese Regelung für „totes Recht“. Die Stadt Frankfurt gehört zu den wenigen Kommunen in Deutschland, die dazu übergegangen sind, solche überhöhte Mieten konsequent zu verfolgen. Doch das ist rechtlich gar nicht so einfach, monierte Katharina Wagner, Leiterin des Amts für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt, in einer Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages am Montag. Wagner hält eine Reform der Regelung deshalb für „dringend geboten“. Der Bundesrat hat dazu einen Vorschlag gemacht, der in der Anhörung allerdings ebenso vehement gefordert wie abgelehnt wurde.
Rund 200 Meldungen jedes Jahr
Schon seit 1954 gilt das Verbot der Mietpreisüberhöhung. In den Neunzigerjahren hätten auf diesem Wege überzogene Mieten sehr erfolgreich reduziert werden könnten, berichteten zwei Anwälte. Doch dann leitete der Bundesgerichtshof 2004 einen Wandel der Rechtsprechung ein – und seitdem sei es fast unmöglich, solche Verfahren erfolgreich zu führen. Das kann der Sitzungsleiter des Rechtsausschusses, Axel Müller (CDU), aus eigener Anschauung bestätigen: In seinen zwanzig Jahren in der Justiz habe er als junger Staatsanwalt nur einmal einen solchen Fall gehabt – und diesen dann eingestellt. In Berlin soll seit 2017 nur ein einziges Mal ein Bußgeld verhängt worden sein.
In der Praxis führt das zu einer Reihe von Problemen: Rund 200 Meldungen liefen jedes Jahr in der Behörde auf, berichtete Wagner. In Extremfällen entspräche das Entgelt dem Doppelten der ortsüblichen Miete, das Wirtschaftsstrafgesetz erlaubt jedoch nur maximal 50 Prozent. Landet ein Bußgeld vor Gericht, wird die Sache heikel, weil dann eine entscheidende Rolle spielt, ob der Vermieter auch die individuelle Lage des Mieters ausgenutzt habe: Dann wird eine Zeugenbefragung mit über 50 Fragen fällig, darunter zum Beispiel, wie viele Wohnungen er angeschaut habe, welche Portale genutzt worden seien.
Der Gesetzentwurf schlägt deshalb vor, diesen Teil zu streichen und darauf abzustellen, ob tatsächlich ein geringes Angebot vorgelegen habe. Dadurch würden die bestehenden Beweisprobleme erheblich entschärft, heißt es in dem Gesetzentwurf. Außerdem gehe es vor allem darum, die Soziale Marktwirtschaft vor Störungen zu schützen. Darüber hinaus soll der Bußgeldrahmen auf 100.000 Euro erhöht werden.
In der Anhörung spielte dabei auch die Mietpreisbremse eine Rolle, die auf der Ebene des Zivilrechts schon eine Preiskontrolle darstellt. In Lagen mit angespanntem Wohnungsmarkt darf bei Neuvermietungen die Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Christian Schede, Immobilienrechtsanwalt der Kanzlei Greenberg Traurig, geißelte den Vorschlag als eine „verschärfte Mietpreisbremse 2.0 durch die Hintertür“. Sie sei nichts weniger als eine flächendeckend anwendbare Vorschrift der Preiskontrolle und hätte weitreichende Nebenwirkungen.
Durch weitere Belastungen für Investoren und Immobilienentwickler werde der Mangel an Wohnraum nicht etwa gelindert, sondern verschärft. „Mietwucher ist kein Massenphänomen“, stellte er fest. Profitieren würden zudem nicht nur Bedürftige, sondern auch einkommensstarke Mieter. Eine solche Privilegierung würde den Sinn der Norm ad absurdum führen.