Die Liste der Tatvorwürfe gegen einen 28 Jahre alten Somalier ist lang: Er soll am 7. Juli in Oberbayern im Regionalzug nach Dorfen zweimal das unbekleidete Knie eines elfjährigen Mädchens gestreichelt haben. Das Kind war allein im Zug. Nach Medienberichten soll der Mann das Kind verfolgt haben, als die Elfjährige aufstand, um durch Waggons hindurch zu einem anderen Platz zu gehen. Am Bahnhof in Dorfen stieg das Mädchen aus, die Tante wartete dort. Laut Staatsanwaltschaft Landshut ging der Mann den beiden nach und beleidigte die Frau. Er habe auch einen Mann auf dem Bahnsteig bedroht und vor einer weiteren Frau eine „exhibitionistische Handlung“ vorgenommen.
Die „Gesamtschau“ der Ermittlungen erhärteten neben dem Verdacht des sexuellen Übergriffs auch die weiteren Vorwürfe und begründeten die Untersuchungshaft des Mannes, wie Oberstaatsanwalt Alexander Ecker erläutert. Der Somalier ist strafrechtlich schon in Erscheinung getreten: Eigentumsdelikte, Gewaltstraftaten, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Taten vom Juli war er ausreisepflichtig, hatte jedoch einen Duldungsstatus. Seine Abschiebung war somit ausgesetzt.
Die Tatvorwürfe haben ihn nicht nur in Untersuchungshaft, sondern auch auf das Radar der sogenannten Task Force Straftäter des Bayerischen Landesamts für Asyl und Rückführung gebracht. Die spezielle Einheit des Landesamts, vor fünf Jahren gegründet, hat sich zum Ziel gesetzt, bei straffälligen Ausländern an einer „Aufenthaltsbeendigung“ mitzuwirken – am besten so schnell wie möglich. Um jedoch in den Fokus der Taskforce zu kommen, müssen die Taten schwerwiegend sein: Sexualdelikte und Tötungsdelikte fallen ebenso darunter wie Rauschgifthandel oder Gewalttaten. Der tatverdächtige Somalier ist also nun auf der Liste der Taskforce – zusammen mit aktuell rund 1250 anderen straffälligen Ausländern.
„Wir wollen präsent sein in den Köpfen der Dienststellen“
Termin bei der Taskforce im Landesamt in München. Zum aktuellen Fall wird keine Auskunft gegeben. Aber das Vorgehen bei ausländischen Straftätern ähnele sich natürlich, erläutert Volker Schaller, Leiter der Abteilung Sicherheit. Er ist für die Taskforce verantwortlich. Zuständig für Abschiebungen ist jedoch in erster Linie nicht die Spezialeinheit, sondern die jeweilige Ausländerbehörde in Bayern.
Besteht gegen einen Ausländer der Verdacht einer Straftat, informiert die Polizei also zunächst immer die Ausländerbehörde über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Wird daraufhin Klage erhoben, erfährt es die Ausländerbehörde ebenso, dann von der Staatsanwaltschaft. Bei schwerwiegenden Straftaten hingegen koordiniert die Taskforce den Austausch zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörde. Sie führt somit zusammen, was für den – zügigen – Ablauf einer Abschiebung wichtig ist: alle relevanten Informationen zum Straftäter.
Die Spezialeinheit, in der unter anderem Fachleute für Ausländerrecht sowie Islamwissenschaftler tätig sind, will als eine Art „Klammer“ zwischen den Behörden auch dafür sorgen, dass nichts übersehen wird, denn: „Die Rückführung von straffälligen Ausländern ist ein komplexes, rechtsstaatliches Verfahren. Es erfordert keine Hauruckaktionen, sondern einen langen Atem“, sagt Schaller.
Verbindungsbeamte lesen Lagemeldungen mit
Dazu muss die Taskforce überhaupt erst mal von einem Fall wie dem des Somaliers erfahren. Das geschieht in der Regel über die Polizei, die nicht nur die Ausländerbehörde, sondern auch die Taskforce über Tatverdächtige informiert. Manchmal aber erst dann, wenn die Polizei den Fall abschließend ermittelt hat, also relativ spät.
Daher wird die Taskforce auch selbst aktiv: Mit polizeilichen Verbindungsbeamten, die über die Informationssysteme der Polizei permanent alle relevanten Lagemeldungen mitlesen, die dort innerhalb der vergangenen 24 Stunden aufgeschlagen sind. „Sie scannen die Meldungen durch mit der Frage: Ist dies ein Fall, den man behördlich so früh es geht begleiten sollte?“, erklärt Schaller. Die Arbeit der erfahrenen Polizeibeamten der Taskforce sei sehr wichtig, denn sie könnten gut einschätzen, welche Fälle verfolgt werden müssten – und das seien nicht immer zwangsläufig diejenigen mit den großen Schlagzeilen. „Von manchen aufsehenerregenden Tatvorwürfen bleibt im Ermittlungsverfahren nichts mehr übrig, was ein Vorgehen der Taskforce begründen würde.“