Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lobte das Engagement von Bundeskanzler Olaf Scholz für die Ukraine auf dem jüngsten EU-Gipfel. „Was Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Gipfel tat, um das drohende ungarische Veto zu beseitigen, wird als ein Akt deutscher Führung im Interesse Europas in die Geschichte eingehen“, sagte Kuleba der „Bild am Sonntag“. Zugleich forderte Kuleba mehr deutsche Führung. „Ich kann nur hoffen, dass dies auch eine breitere und unumkehrbare Kehrtwende in der deutschen Haltung zur Führung der Bemühungen um die Lösung der kompliziertesten Fragen bedeutet“, sagte er.
Der Streit über EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine galt bis zum Gipfel als festgefahren, weil sich Ungarn sperrte. Als Lösung schlug Scholz dem Ministerpräsidenten Viktor Orban vor, die Sitzung für die Abstimmung zu verlassen. Dies ermöglichte den anderen Staats- und Regierungschefs die erforderliche Einvernehmlichkeit.
Die Ukraine wehrt seit fast 22 Monaten eine großangelegte russische Invasion ab; am Sonntag ist der 662. Kriegstag. Einschließlich der Halbinsel Krim ist etwa ein Fünftel des Landes von russischen Soldaten besetzt.
Selenskyj lobt die ukrainische Flugabwehr
Nach mehreren Tagen und Nächten schwerer russischer Luftangriffe auf die Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Arbeit der ukrainischen Flugabwehr gelobt. In einer Woche seien 104 von 112 angreifenden Shahed-Drohnen abgefangen worden, sagte Selenskyj in seinem abendlichen Video am Samstag. „Und die Zerstörung jeder einzelnen bedeutet, dass Leben und Infrastruktur gerettet wurden“, sagte er und dankte allen Soldaten der Flugabwehr.
Dutzende Gefechte an der Front
Auch in der Nacht auf Sonntag herrschte über weiten Teilen der Ostukraine Luftalarm. Russische Drohnen seien von Osten und von Süden in den ukrainischen Luftraum eingedrungen, teilte die Luftwaffe in Kiew mit. Im Abendbericht des ukrainischen Generalstabs war die Rede von 71 Gefechten – ein leichter Rückgang nach 82 Gefechten am Freitag. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Trotzdem lassen die Zahlen Rückschlüsse auf die Intensität des Kampfgeschehens zu. Ausländische Experten wie das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA beobachten, dass Russland mit seinen Vorstößen Geländegewinne erzielt.
Die meisten russischen Angriffe gab es abermals in der Stadt Awdijiwka und Umgebung im Donbass – registriert wurden 27 Gefechte. Sie seien abgewehrt worden, hieß es. Im Frontabschnitt Kupjansk weiter nördlich im Gebiet Charkiw und Luhansk zählte das ukrainische Militär elf Gefechte beim Dorf Synkiwka. Auch dort sind die russischen Truppen nach ISW-Einschätzung seit Tagen in der Offensive und rücken vor. Von ukrainischen Offensivaktionen ist in den Generalstabsberichten schon seit geraumer Zeit keine Rede mehr. Nach dem weitgehenden Fehlschlag der Sommeroffensive richten sich die Kiewer Truppen auf Verteidigung ein.
Westliches Flugabwehrgerät bewährt sich in der Ukraine
Zu den Erfolgen der Flugabwehr zählte Selenskyj, dass in der vergangenen Woche ballistische Raketen aus Russland vom Himmel geholt worden seien. „Die von unseren Partnern zur Verfügung gestellten Patriots, Nasams, Geparden und anderen Systeme funktionieren perfekt“, sagte er. Zugleich komme es darauf an, die Luftverteidigung über der Ukraine weiter zu verbessern, sagte der Staatschef. Dies sei bei fast jedem seiner Kontakte mit ausländischen Partnern ein Thema.
In den vergangenen Nächten griff Russland mit Schwärmen von Kampfdrohnen an. Ziel sind wie im vergangenen Winter oft Anlagen der Energieversorgung. Allerdings ist die ukrainische Flugabwehr in diesem Winter deutlich besser gerüstet. Trotzdem gab es in der vergangenen Woche nach Angaben ziviler Behörden Dutzende Verletzte und Schäden – auch in Kiew.
Ukraine schreibt Moskauer Patriarchen Kirill zur Fahndung aus
Im Kampf gegen den Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche hat die Ukraine den Moskauer Patriarchen Kirill zur Fahndung ausgeschrieben. Vorgeworfen wird ihm, einer der Hauptunterstützer des russischen Angriffskrieges zu sein. Das Innenministerium in Kiew setzte den Kirchenführer mit bürgerlichem Namen Wladimir Gundjajew auf die Liste gesuchter Personen. Als Aufenthaltsort wurde Moskau angegeben.
Kirill steht klar hinter dem von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wie dieser beharrt er auf einen Herrschaftsanspruch Russlands über die Nachbarländer, in denen Russen leben. In der Ukraine hat er immer noch Einfluss auf die Priester und Gemeinden, die sich zum Moskauer Patriarchat bekennen.
Kretschmer glaubt nicht an EU-Beitritt der Ukraine
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) glaubt nicht an einen EU-Beitritt der Ukraine und pocht auf Verhandlungen mit Russland. „Die Ukraine braucht nach dem Ende des Krieges eine Perspektive in Europa und Schutz vor weiteren Angriffen“, sagte Kretschmer der „Bild am Sonntag“. „Aber einen Beitritt zur EU sehe ich auf absehbare Zeit nicht. Erst mal geht es um den Wiederaufbau, die Rechtsstaatlichkeit, eine Normalität und gemeinsame Ziele.“
Kretschmer kritisiert, dass es seit einem Jahr „keinerlei diplomatische Initiativen“ gegeben habe, um den Krieg zu beenden. „Währenddessen steigen der Blutzoll und die Kosten für diesen Krieg ins Unermessliche.“ Es reiche nicht, nur Sanktionen zu verhängen. „Deutschland wird gebraucht für Friedensverhandlungen. Aber niemand auf der Welt nimmt unsere Außenministerin noch ernst. Unser Image hat gelitten, weil Frau Baerbock alle Brücken zu Ländern abgebrochen hat, die nicht ihre Werte teilen.“
Das wird am Sonntag wichtig
Das ukrainische Militär rechnet mit weiteren Boden- und Luftangriffen der russischen Armee.