Neoexpressionisten gab und gibt es in der deutschen Nachkriegskunst viele, aber ein Bild Karl Horst Hödickes konnte man immer herausfiltern. Auf dem 1973 entstandenen „Himmel über Schöneberg“ etwa rücken nächtens irisierend tiefblaue Berliner Hinterhoffassaden ihre „Köpfe“ zusammen, um sich gegen den nicht minder irritierend glimmenden Äther in Bordeaux über ihnen zu verschwören. Energiegeladene Farben und eine schräge Bildtektonik wie einstürzende Altbauten und wie aus Holzblöcken geschnitzte Frauen sind mithin Wiedererkennungsmerkmale Hödickes.
Einstürzende Altbauten prägten ihn
1938 in Nürnberg geboren, musste er 1945 zwischen solch kollabierenden Bauten mit der Familie nach Wien fliehen, wo die Mutter früh verstarb. Ebenfalls prägend für sein weiteres Leben war der Umzug im Jahr 1957 nach Berlin, wo er von 1959 an zuerst Architektur an der Technischen Universität Berlin studierte. Obwohl er bereits nach einem Semester an die Hochschule der Künste Berlin wechselte, blieb sein Interesse am Gebauten selbst in den Figuren seiner Bilder erhalten, anders etwa als bei den wirbelnden Informel-Farbwolken seines Lehrers Fred Thieler. Der Siegeszug des Figurativen von den Neunzigern an hat somit auch in ihm einen Gründervater. An der HdK Berlin lehrte er von 1974 an 31 Jahre lang.
Eine große Retrospektive Hödickes in der Münchner Pinakothek der Moderne würdigte im Jahr 2020 noch einmal die ungewöhnliche Spannbreite seiner künstlerischen Tätigkeit, zu der immer auch dreidimensionale Experimente beispielsweise mit Teer gehörten.
In den folgenden Jahren experimentierte er auch dreidimensional und schuf in ihrem Aggregatszustand zäh fließende Plastiken, indem er aus hängenden Tonnen oder Eimern Teer ausfließen ließ, das bei Zimmertemperatur Wochen für das Aushärten benötigte, so etwa in „Kalter Fluß“ von 1969. Das Publikum konnte so in ebenso materiell handfester wie metaphorischer Form dem Mal-Prozess zusehen, hatten doch Maler wie Edouard Manet im neunzehnten Jahrhundert mit asphalthaltigen Farben gearbeitet und dauert der Abtrocknungsvorgang der Farbe oft quälend lange. Immer wieder baute er auch Bronzeplastiken wie „Kaspar“, der mit seinem Quadratschädel Kaspar-Hauserhaft ebenso roh wie in sich gefangen wirkt.
Berlin, die Stadt, in der er zusammen mit Bernd Koberling und Markus Lüpertz „Großgörschen 35“, eine der ersten Produzentengalerien überhaupt, gründete, hat er auch über den Umweg seines New Yorker Dach-Studios über Jahrzehnte fixiert. Besonders fesselten ihn in der Mauerstadt die noch nach lange wie kollabiert herumstehenden Gebäude wie der Gropiusbau, den er vom nah des Todesstreifens gelegenen Atelier aus sah.
Der stets lebenszugewandte K. H. Hödicke, wie er in gut expressionistischer Manier kürzelte, wird schon jetzt vermisst, nicht zuletzt von der ansehnlichen Schar seiner ebenfalls nicht unbedeutenden Schüler wie Helmut Middendorf, Salomé oder Maria Eichhorn, die von dem guten Lehrer Mut zu Farbe und mehr mitgegeben bekamen. Am Donnerstag ist dieser „Vater der jungen Wilden“ im Alter von 85 Jahren im Kreis seiner Familie in Berlin gestorben.