Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag auf Grundlage einer ersten Hochrechnung mitteilte, waren im Jahr 2024 durchschnittlich rund 46 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Das sind zwar so viele Erwerbstätige wie nie seit der Wiedervereinigung 1990, gegenüber dem Vorjahr war der Anstieg allerdings sehr gering, er betrug nur 0,2 Prozent. Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 wuchs die Erwerbstätigenzahl damit seit 2006 durchgängig, allerdings ist das Wachstum seit 2022 deutlich zurückgegangen. Außerdem ist auch die Zahl der Erwerbslosen stark angestiegen.
Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagt: „Der Arbeitsmarkt ist gedämpft worden durch einen Wirtschaftsabschwung, der 2022 nach der Energiekrise angefangen hat, und da hängen wir immer noch drin.“ Die Beschäftigung in Deutschland sei trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten lange sehr robust gewesen. Seit dem zweiten Halbjahr von 2024 war die Beschäftigungsdämpfung jedoch stärker, als es die Konjunktur eigentlich hätte erwarten lassen, erklärt Weber. Das sehe man vor allem in der Industrie: „Da verlieren wir jeden Monat mehr als 10.000 Jobs.“
Das Beschäftigungswachstum in der Summe ist ausschließlich auf ausländische Arbeitskräfte zurückzuführen. Es gehen viel mehr Deutsche in den Ruhestand und verlassen den Arbeitsmarkt, als Deutsche nachkommen. De facto heißt das: Das Land kommt ohne die Menschen aus dem Ausland nicht klar.
Zuwachs bei Dienstleistern, Abbau in der Industrie
Interessant ist, dass ausschließlich die Dienstleistungsbereiche zum Anstieg der Erwerbstätigenzahl beitrugen. Hier ist die Zahl der Beschäftigten um rund 150.000 gestiegen, allerdings gibt es innerhalb der Dienstleistungsbereiche Unterschiede: Im Gesundheitssektor, Erziehung und öffentlicher Verwaltung ist die Beschäftigung wie in den Vorjahren stark angestiegen, um 184.000 Personen, also 1,5 Prozent Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Unternehmensdienstleistern, zu denen auch die Arbeitnehmerüberlassung zählt, ging die Erwerbstätigkeit erstmals seit 2020 wieder zurück. Damit findet der Beschäftigungszuwachs vor allem in den Branchen statt, die zwar dringend gebraucht werden, aber für wenig Produktivitätsfortschritt sorgen.
Im Gegensatz zur Dienstleistungsbranche nahm die Beschäftigung in allen anderen Bereichen ab: Im Produzierenden Gewerbe ist die Erwerbstätigenzahl um 50.000 Personen gesunken, im Baugewerbe um 28.000 und damit um 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der Land- und Forstwirtschaft setzt dich der negative Trend der vergangenen Jahre fort. Hier ist die Beschäftigung um 5,0 Prozent zurückgegangen. Zu den Arbeitsstunden liegen bislang nur Zahlen bis zum dritten Quartal vor, sie bewegen sich geringfügig unter dem Niveau von 2023.
Im Jahresdurchschnitt ist 2024 die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um 146.000 auf 42,3 Millionen gestiegen. Gleichzeitig ist aber auch die Zahl der Erwerbslosen stark angestiegen: um 179.000 Personen oder 13,4 Prozent auf 1,5 Millionen. Die Erwerbslosenquote, gemessen als Anteil der Erwerbslosen an der Zahl der Erwerbspersonen, stieg gegenüber dem Vorjahr von 2,8 auf 3,2 Prozent. Auch wenn die Zahl der Erwerbstätigen laut Statistischem Bundesamt „so hoch wie seit 1990“ nicht ist, sieht die Zukunft für den Arbeitsmarkt nicht gut aus. Auch die Entwicklung der Zeitarbeit ist ein Warnsignal: Sie war im vergangenen Jahr negativ und ist es auch weiterhin. Die Zeitarbeit gilt als Frühindikator für die Beschäftigungsentwicklung: Unternehmen, die sich von Mitarbeitern trennen, trennen sich zunächst einmal von den Zeitarbeitern.
Ausblick auf 2025
Wie geht es 2025 am Arbeitsmarkt weiter? Die Wachstumsprognose des IAB war mit 0,4 Prozent für 2025 die niedrigste der Wirtschaftsforschungsinstitute. Auch das Arbeitsmarktbarometer des IAB zeigt für die nächsten Monate keine Besserung an. Weber prognostiziert: Die Arbeitslosigkeit werde weiter zunehmen. „Die Beschäftigung steigt in der Summe jedoch noch leicht, weil es neben den Negativfaktoren Industrie, Zeitarbeit, Bau und Handel auch mehrere Branchen gibt, die immer noch sehr stark aufbauen: Gesundheit, Pflege, Erziehung und Verkehrswesen.“
Auch wenn es bei der Konjunktur in Deutschland durch sinkende Zinsen und eine Inflation in angestrebter Höhe „Normalisierungsfaktoren“ gibt, weist Weber auf die strukturellen Gründe der aktuellen Wirtschaftsschwäche hin: „Die Industrie ist in einer Transformationskrise, und da wird man nur rauskommen, wenn es transformativ einen Aufschwung gibt, also neue Geschäftsmodelle, Innovationen und Investitionen.“
Der Wirtschaftsforscher bleibt mangels Dynamik in der Transformation skeptisch. Laut Weber sind die Chancen von Arbeitslosen, wieder in Jobs zu kommen, aufgrund niedriger Neumeldungen von Stellen so niedrig wie noch nie. Um zu verhindern, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt, müsse man hier ansetzen. Die Arbeitsagentur wird am Freitag die Arbeitslosenzahlen für den Dezember vorstellen.