In der Debatte um das Vordringen der israelischen Armee in das Al-Schifa-Hospital in Gaza hat ein Völkerrechtler zu einer differenzierten Betrachtung aufgerufen. „Ein Krankenhaus ist nach dem humanitären Völkerrecht ein ziviles Objekt, das heißt, es ist absolut tabu, dass angreifende Soldaten dort hineingehen. Gleichzeitig ist es so: Ein Krankenhaus kann auch missbraucht werden, und dann sieht es juristisch schon anders aus“, sagte Christoph Safferling im Interview der „Süddeutschen Zeitung“.
„Wenn es nur zum Schein ein ziviles Objekt war, aber in Wahrheit vornehmlich militärisch genutzt wurde, dann war das israelische Militär durchaus berechtigt, es zu bekämpfen.“ Allerdings müsse man mehr als Gewehre finden, erklärte der Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien. „Es müsste Anhaltspunkte dafür geben, dass in diesem Krankenhaus wesentlich mehr stattgefunden hat.“
Dazu gehörten militärische Planungen oder dass von dort militärische Operationen ausgegangen seien wie der Abschuss von Raketen vom Dach, so Safferling. „Dann erst wird das Krankenhaus im juristischen Sinne zum militärischen Objekt, und dann erst dürfte es beschossen werden. Aber auch dann nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.“ Das bedeute, selbst wenn es sich um ein militärisches Objekt handeln würde, „wäre es dennoch ein Kriegsverbrechen, wenn Israel bei dessen Beschuss unverhältnismäßig viele zivile Opfer in Kauf nähme“. Der Fachmann sagte, er wundere sich, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht längst offensiver eingegriffen habe. Bisher beobachte dieser die Lage lediglich. „Israel lehnt diese Institution zwar ab. Trotzdem: Die Juristen in Den Haag haben die Zuständigkeit für alles, was auf dem Gebiet des Gazastreifens geschieht, das heißt auch für die israelischen Soldaten dort, und auch für alles, was mit palästinensischen Staatsangehörigen zu tun hat.“
Safferling hob hervor: „Es gibt hier eine Konfliktpartei, die immerhin versucht, sich an die Regeln zu halten in einer sehr, sehr schwierigen Situation, nämlich Israel. Auf der anderen Seite haben wir eine Konfliktpartei, die das ganz offen nicht versucht.“ Deshalb sei es so ein schwieriger Krieg. „Wenn die Hamas keine menschlichen Schutzschilde einsetzen würde, könnte man sie ganz anders bekämpfen. Dann gäbe es in diesem Krieg sicherlich sehr viel weniger Leid und Opfer in der Zivilbevölkerung.“