Es war ein Brandbrief, unterschrieben von Mitgliedern der Frauen- und der Männernationalmannschaft und von jungen Talenten im amerikanischen Fußball, der im letzten Sommer die Politiker im Kongress in Washington wachzurüttelen versuchte. Das Ziel ihrer Beschwerde? Dass sich die Abgeordneten eines Problems annehmen, für das sie sich 2017 mit einem neuen Gesetz eindeutig für zuständig erklärt hatten.
Ausgelöst von den Missbrauchsskandalen unter anderem im Turnen hatten sie einen Maßnahmenkatalog zum Schutz von Opfern vor sexuellem Missbrauch aufgestellt und die rechtliche Legitimität einer speziellen Einrichtung beschlossen. Gedacht als Werkzeug im Kampf gegen Vertuschung und Verharmlosung, überwiegend finanziert durch Mittel des Olympischen und Paralympischen Komitees (USOPC). Und ausgestattet mit einem Strafenkatalog bis hin zum Berufsverbot.
8000 Athleten melden sich pro Jahr
Wie notwendig die Arbeit ist, zeigen jüngste Zahlen. Beim in Denver ansässigen „US Center for SafeSport“ reichen inzwischen pro Jahr rund 8000 Athleten Missbrauchsvorwürfe ein. Die Organisation beschäftigt hundert Mitarbeiter, denen ein Budget von 21 Millionen Dollar (etwa 19,3 Millionen Euro) zur Verfügung steht.
Was die Fußballspielerinnen im Rahmen der Recherchen einer unabhängigen Sachverständigen, der ehemaligen US-Generalstaatsanwältin Sally Yates, 2022 herausfanden, klingt jedoch nicht so, als leistete „SafeSport“, was der Name verspricht. Ihr Bericht über den seelischen und sexuellen Missbrauch von Trainern in der Frauen-Profiliga NWSL hatte auf der Basis von Gesprächen mit 200 Betroffenen nicht nur Einzelbeispiele von Übergriffen offengelegt, sondern alltägliche Mechanismen der Vertuschung und Verniedlichung der Übergriffe.
„Es gab Personen, insbesondere Klub-Eigentümer, die den Spielerinnen unredliche Motive unterstellt haben“, sagte Yates damals in einem Fernsehinterview und warnte die verantwortlichen Funktionäre ausdrücklich vor „SafeSport“. Dessen Ermittlungen ziehen sich hin und führten zu unbefriedigenden Resultaten. Ein Fall stach besonders heraus. So erhielt Rory Dames, der ehemalige Trainer des NWSL-Teams Chicago Red Stars, dessen Verhalten im 172 Seiten langen Yates-Bericht fast ein Viertel des Platzes einnimmt, aus Denver seine Lizenz zurück, ehe die Ermittlungen abgeschlossen waren. Das sind sie übrigens bis heute nicht – zwei Jahre später.
Der Jahresbericht der Einrichtung von 2022 lässt weitere Tendenzen erkennen. Klare Verstöße? Die stellte man offiziell nur in 13 Prozent der gemeldeten Anschuldigungen fest. 37 Prozent endeten auf einem riesigen Aktenberg sogenannter „administrative closures“. Diese Verfahren laufen zwar rein formaljuristisch noch, aber werden nicht mehr aktiv bearbeitet. Kein Wunder, dass Yates die Fußballfunktionäre mahnte, sie sollten selbst „Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, wenn dies zum Schutz der Spieler erforderlich ist“.
Anfang Februar zeigten sich immerhin zwei Senatoren in Washington darüber „besorgt, dass das US Center for SafeSport nicht die Arbeit leistet, die der Kongress beabsichtigt“ habe. Sie wandten sich mit einem Rundschreiben an über 50 Sportverbände, um den Stand der Dinge abzufragen. Die Politiker haben, das zeigte sich schon in der Vergangenheit, keine Scheu, notfalls öffentliche Anhörungen anzuberaumen, die die Schwachstellen im System bloßlegen und den Druck erhöhen.
Einrichtung habe „in seiner heutigen Form versagt“
„SafeSport“-Geschäftsführerin Ju’Riese Colón hatte im vergangenen Jahr die Kritik der Fußballer abzuschwächen versucht: „Es gibt keine Möglichkeit, alle Parteien mit einer Antwort und einer Lösung zufrieden zu stellen, aber das Center hat sich kontinuierlicher Verbesserung verschrieben.“
Dabei gibt es klare Vorhaltungen, wie die Soccer-Aktiven im letzten Jahr schrieben: „Wir haben erlebt, wie unsere Kollegen die Kraft und den Mut aufbrachten, ihre Geschichte zu erzählen, und wie die Ermittler dann ihren Fall ohne verbindliche Ergebnisse abschlossen. Was am beunruhigendsten ist – die Täter können zu ihrem Sport zurückkehren.“
Was mindestens ebenso schwerwiegend ist: ein vom Kongress verschuldeter Webfehler. „SafeSport“ hat in Missbrauchsfällen die alleinige sportjuristische Zuständigkeit. Die Fußballer sind deshalb überzeugt: Die Einrichtung sei zwar „mit edlen und wichtigen Absichten ins Leben gerufen“ worden, aber habe „in seiner heutigen Form versagt“ und nicht das erreicht, was es eigentlich erreichen sollte. Die Antworten der anderen Verbände auf die Fragen der beiden Senatoren steht noch aus.