Der französische Präsident Emmanuel Macron hat nach harscher Kritik aus Israel seine Äußerungen zum Gaza-Krieg richtigstellen lassen. In Telefonaten mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog und Minister Benny Gantz bekundete Macron von neuem seine Solidarität und betonte das Selbstverteidigungsrecht Israels. „Die Bedrohung (Israels) durch terroristische Gruppen im Gaza-Streifen muss beseitigt werden“, äußerte Macron, wie der Elysée-Palast am Sonntagabend mitteilte.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu soll über das BBC-Interview Macrons so entrüstet gewesen sein, dass er ein eigentlich vorgesehenes Telefonat verweigerte. Macron hatte in dem in englischer Sprache geführten Interview eine Waffenruhe gefordert. Es klang so, als solle Israel sofort die Waffen schweigen lassen.
Scholz kritisiert Macron
Im Elysée-Palast hieß es hinterher, das Interview sei zusammengeschnitten worden. Bei der Hilfskonferenz in Gaza hatte Macron humanitäre Feuerpausen gefordert und versprochen, mittelfristig auf eine Waffenruhe hinwirken zu wollen. „Es werden Zivilisten, Babys, Frauen und alte Menschen bombardiert und getötet. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Zivilisten anzugreifen. Wir fordern Israel dazu auf, damit aufzuhören“, sagte Macron der BBC.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte Macron für seine Forderung nach einer Waffenruhe ungewöhnlich scharf. Bei einer Veranstaltung in Heilbronn sagte Scholz, ein Waffenstillstand bedeute, „dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll und wieder neue Raketen anschaffen lassen soll. Damit die dann wieder schießen können. Das wird man nicht akzeptieren können.“
Der israelische Präsident Herzog teilte nach dem Gespräch mit Macron mit, der Franzose habe seine Äußerungen gegenüber der BBC präzisiert. Er habe klargestellt, dass er Israel nicht bezichtige, im Kampf gegen die Hamas absichtlich unschuldige Zivilisten zu verletzen. Macron habe betont, dass er das Recht und die Pflicht Israels zur Selbstverteidigung unmissverständlich unterstütze. Herzog legte Macron nahe, sich das Filmmaterial der „barbarischen Taten der Hamas“ selbst anzusehen.
Erste Großkundgebung ohne Ausschreitungen
Das BBC-Interview führte auch in Frankreich zu Irritationen. Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Organisationen, CRIF, Yonathan Arfi, kritisierte, dass Macron den Eindruck erwecke, dass Israel bewusst palästinensische Zivilisten töte. Macrons Abwesenheit bei der Großkundgebung gegen Antisemitismus in Paris wurde auch am Montag noch heftig kritisiert.
Der Vorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, sagte im Radiosender RTL, Macron habe „ein Rendez-vous mit der französischen Geschichte verpasst“. An dem friedlichen Marsch durch die französische Hauptstadt vom Invalidendom bis ins Quartier Latin nahmen mehr als 105.000 Menschen teil, wie die Polizeipräfektur bestätigte. Es war das erste Mal seit Beginn der Amtszeit Macrons, dass eine Großkundgebung nicht in Ausschreitungen mündete.
Die beiden ehemaligen Präsidenten Francois Hollande und Nicolas Sarkozy liefen Seite an Seite mit Premierministerin Elisabeth Borne und vielen amtierenden und früheren Ministern. Marine Le Pen und ihre Mitstreiter marschierten am Ende des Zuges mit. Anders als noch bei der Trauerdemonstration für die ermordete jüdische Französin Mireille Knoll kam es nicht zu Unmutsbekundungen über die Anwesenheit Le Pens.
Im März 2018 hatte Le Pen von ihren Sicherheitsleuten aus der Demonstration hinausgeschleust werden müssen, weil die Demonstranten sie ausbuhten. Der Präsident des Rechnungshofes, Pierre Moscovici (Sozialist) sagte im Radiosender RTL, Marine Le Pen sei anders als ihr Vater keine Antisemitin. Das bedeute aber nicht, dass es in ihrer Partei keinen Antisemitismus mehr gäbe.
Der Präsident des Konsistoriums von Paris, Joel Mergui, sprach von einem „republikanischem Aufbruch“. Er habe es geschätzt, dass der Appell von den beiden Parlamentspräsidenten kam und es nicht den jüdischen Organisationen überlassen wurde, gegen Antisemitismus zu protestieren. „Es wurde die Marseillaise gesungen und französische Flaggen geschwenkt“, sagte Mergui am Montag im Radiosender France Info.
Er hätte sich allerdings gewünscht, dass mehr Vertreter der muslimischen Gemeinschaft mitmarschieren. Einzelne Imame seien dabei gewesen, aber es habe keine Aufrufe der islamischen Institutionen in Frankreich gegeben. „Wir verwechseln Islam und Islamismus nicht“, sagte Mergui. Dem französisch-tunesischen Imam Hassen Chalghoumi soll die tunesische Staatsbürgerschaft entzogen werden, weil er an der Demonstration in Paris teilnahm, hieß es. Die tunesische Staatsführung wolle damit seine Teilnahme sanktionieren.