Laut kann es werden, wo geflogen wird. Das bekamen Vertreter aus Regierung und Wirtschaft auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz zu spüren. Während in den Wartungshallen von Lufthansa Technik in Hamburg debattiert wurde, startete vor der Tür Kanzler Olaf Scholz (SPD) zum Rückflug nach seinem Auftritt. Die Folge: Kurzzeitig war es schwerer, den Reden zu folgen, in denen es weniger um Geräusch- und mehr um Schadstoffemissionen ging.
Zuvor hatte Scholz erklärt, Deutschland solle Vorreiter in der weniger klimaschädlichen Luftfahrt werden, der Staat unterstütze dabei. „Unser großes Ziel ist klar: Bis 2045 wollen wir klimaneutral werden und dabei zugleich ein erfolgreiches Industrieland mit weiteren Wachstumsmöglichkeiten bleiben.“
Dazu gab es vom Kanzler schmeichelnde Worte für Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugzeughersteller. Luftverkehr sei ohne Deutschland nicht vorstellbar, jedes sechste Verkehrsflugzeug der Welt werde hierzulande endmontiert, das neue Airbus -Modell A321 XLR sei derzeit „die wohl innovativste Entwicklung“: Das Flugzeug sei „klimafreundlich“ und verbrauche 30 Prozent weniger Kerosin als frühere Modelle.
Wer zahlt den Hochlauf mit alternativem Kerosin?
Zur Frage, wie eine groß angelegte Markteinführung alternativer schadstoffarmer Kraftstoffe – kurz SAF – gelingen kann, gab es aber keine neuen Fördersummen. Im Vorfeld hatten die Präsidenten der Verbände der Luftverkehrswirtschaft (BDL) und der Flugzeugindustrie (BDLI), Jost Lammers und Michael Schöllhorn, Sorgen geäußert, dass von den neuen teureren Kraftstoffen schlimmstenfalls nicht genug vorhanden sei, um von der EU beschlossene steigende Pflichtbeimengquoten zu erfüllen.
Ihre Forderung, Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer von wohl 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr zur Förderung neuer Kraftstoffe zu verwenden, blieb ungehört. Im Gipfelpapier sagt die Regierung zu, sie werde „einen Leitfaden erstellen“, der Investoren und Kraftstoffhersteller mit Blick auf Förderungen Orientierung geben solle. Scholz verwies darauf, dass die in der Pandemie gestützte Deutsche Lufthansa wieder „hohe Gewinne“ erwarte.
Deren Vorstandschef Carsten Spohr sagte, die Konferenz müsse zwar anders als viele Treffen von Industrie und Politik nicht mit Wehklagen beginnen, die Branche erhole sich. Er beklagte aber Rahmenbedingungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrt beeinträchtigten. Die EU-Beimengquoten für SAF seien „eine gute Idee“, doch so wie sie gestaltet seien, würden Chancen für die hiesige Branche verspielt. Die Zusatzbelastung falle für konkurrierende Airlines mit Drehkreuzen außerhalb der EU, zum Beispiel in der Türkei oder in den Emiraten, geringer aus.
Bund will Wettbewerbsnachteile verhindern
Unbekannt ist dieser Einwand im Bund nicht. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Niemandem ist geholfen, wenn wir unsere heimische Luftfahrt ausbremsen, und ausländische Anbieter, die weniger nachhaltigkeitsorientiert sind, die Lücke füllen.“ Scholz versprach: „Was den Wettbewerb verzerrt, werden wir verhindern.“ Im Gipfelpapier hieß es dazu, der Bund habe erreicht, dass die EU-Vorgabe eine Klausel für eine Prüfung bis 2026 enthalte, „um unerwünschten Effekten entgegenzuwirken“.
Ein wenig Unzufriedenheit klang bei BDL-Präsident Jost Lammers, zugleich Chef des Flughafens München, durch. Man stehe in Konkurrenz mit Ländern, in denen es niedrigere Sozialstandards, keine Pflicht zum Kauf von Emissionsrechten und keine Beimengquoten gebe. „Wie sollen wir da mithalten?“, fragte er.
Teil des Gipfelpapiers, um das dem Vernehmen nach lange gerungen wurde, war ein Bericht des Arbeitskreises Klimaneutrale Luftfahrt aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften. Aus dessen Sicht reichten derzeit vorgesehene Fördervolumina „voraussichtlich nicht aus, um einen schnellen SAF-Markthochlauf im benötigten Umfang sicherzustellen“. Auf derselben Seite des Papiers ist vermerkt, Ergebnisse des Arbeitskreises „geben nicht zwingend die Einschätzung der Bundesregierung wider“.
Auf dem Gipfel verständigte man sich auf mehr Anstrengungen zum Vermeiden von Kondensstreifen und für effizientere Landeverfahren. Scholz kündigte für dieses Jahr eine Entscheidung zum Aufbau einer Wasserstoff-Leitungsinfrastruktur an; es gehe es um viele Milliarden Euro, die privatwirtschaftlich investiert würden. Für synthetische Flugkraftstoffe ist Wasserstoff nötig.
Vor Beginn der Luftfahrtkonferenz hatten Umweltschützer vor dem Haupteingang der Lufthansa Technik, dem Tagungsort, demonstriert. Sie forderten, dass die Zahl der Flüge nicht weiter steigt. Besser solle die Zahl der planbaren Starts und Landungen an den deutschen Flughäfen verringert werden – und zwar um mindestens 20 Prozent bis zum Jahr 2030.