Die Angehörigen des vor zwei Wochen im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalnyj haben den Körper des 47-Jährigen am Morgen in der Leichenhalle in Moskau mit Verzögerung für die Beerdigung erhalten. Sie seien um 10.00 Uhr Ortszeit (8.00 Uhr MEZ) dort gewesen, aber hätten den Leichnam erst nicht und dann mit Verspätung bekommen, teilte Nawalnyjs Team am Freitag mit. Es dauere eine Stunde, um mit dem Sarg zur Kirche zu gelangen, hieß es. Womöglich könne es zur Verzögerung bei der Trauerfeier und bei der Beerdigung kommen.
Trotz eines Großaufgebots von Polizei und Sicherheitskräften haben sich schon Stunden vor der Beerdigung des Kremlgegners Alexej Nawalnyj in Moskau Tausende Menschen versammelt. An der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“ im südöstlichen Bezirk Marjino drängten sich Tausende Menschen an Metallgittern, um sich von dem Oppositionsführer zu verabschieden. Viele trugen Blumen in den Händen.
Unter den Versammelten waren auch Botschafter westlicher Nationen. Ein Bild zeigt unter anderem Alexander Graf Lambsdorff (Deutschland), Pierre Levy (Frankreich) und Lynne Tracy (USA).
Russlands Machtapparat hat vor der an diesem Freitag geplanten Beerdigung des Kremlgegners Alexej Nawalnyj an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut. Metallgitter wurden weiträumig aufgestellt, Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten. Auch das mobile Internet sei runtergeregelt worden. An der Kirche hing den Berichten zufolge eine Aufforderung, nicht zu filmen oder zu fotografieren. Die Zeitung „Bild“ berichtet, dass auf den Dächern rund um die Kirche bewaffnete Polizisten Stellung bezogen hätten.
Nawalnyj, der als wichtigster Gegner von Kremlchef Wladimir Putin galt, versetzt den Machtapparat Beobachtern zufolge auch nach seinem Tod in höchste Anspannung. Die Trauerfeier ist für 12.00 Uhr MEZ geplant. Die Beerdigung ist zwei Stunden später auf dem Borissowskoje-Friedhof geplant.
Schon zuletzt hatten starke Sicherheitskräfte Hunderte Trauernde beim Niederlegen von Blumen festgenommen. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des vor zwei Wochen im Straflager gestorbenen Nawalnyj protestieren könnten. Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl im Amt als Präsident bestätigen lassen. Unterstützer, Angehörige Nawalnyjs und Menschenrechtler werfen Putin vor, den russischen Oppositionsführer in Haft gezielt getötet zu haben. Der Kreml weist das zurück.
„Kommen Sie, um Alexej Nawalnyj auf seinem letzten Weg zu begleiten, wenn Sie in Moskau sind. Es werden Ihnen alle danken, die aus verschiedenen Gründen nicht dort sein können“, sagte der Oppositionelle Leonid Wolkow, der selbst im Exil lebt und ein enger Vertrauter des Kremlgegners war. Nawalnyjs Team will die Beerdigung live im Internet begleiten.
Nawalnyj starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal im Alter von 47 Jahren. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch den Giftanschlag und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnyjs Team ist im Totenschein von „natürlichen“ Ursachen die Rede.