Das Magazin, das nahezu ausschließlich von der Künstlichen Intelligenz zu handeln verspricht, heißt, scheinbar paradoxerweise, „human“ – und es gibt Seiten in diesem Heft, die lesen sich, als wären sie, mit welchen technischen Mitteln auch immer, aus einer eher inhumanen Zukunft in die Gegenwart gesendet worden: um uns zu warnen, ja um diese Zukunft doch noch abzuwenden.
Es sind die ersten, die eher langweiligen Artikel in dem Magazin; es sind leitartikelnde, besinnliche, erbaulich gedachte Texte, die immer wieder das gleiche Thema umkreisen: Fürchtet euch nicht, sagen sie zu ihren Lesern, habt keine Angst vor der KI! Wenn ihr die Chancen ergreift, statt euch vor den Risiken wegzuducken; wenn ihr begreift, dass die KI ein Werkzeug ist und nicht etwa ein Herrschaftsinstrument: Dann wird sie euch die Arbeit erleichtern und eure Möglichkeiten erweitern.
Wenn die KI formuliert
Es sind Artikel, die fast alle gezeichnet sind von Rebekka Reinhard oder Thomas Vašek, die man beide als lebhaftere und originellere Autoren des leider eingestellten Philosophiemagazins „Hohe Luft“ kennt und die jetzt die Chefredaktion von „human“ bilden. Und bevor man der Versuchung nachgibt und spottet, dass diese quälend langweiligen und redundanten Texte anscheinend von Künstlichen Intelligenzen verfasst worden seien, schaut man besser auf die Website des Magazins, wo die KI, neben Text- und Bildredaktion, ganz selbstverständlich als Mitarbeiterin genannt wird.
Und das nötigt einem dann doch wieder Respekt ab, auch wenn man das Experiment als gescheitert betrachten und lieber spannendere, den eigenen Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten abgerungene Texte lesen möchte – zumal wenn es darum geht, die Revolutionen und Disruptionen einer Zukunft zu entwerfen, die man sich nur als das Gegenteil jener Sprachergänzung vorstellen kann, welche die Kernkompetenz von ChatGPT ist.
Anführer in Angst
Aber indem sie selbst die KI als Werkzeug nutzen, schaffen Reinhard und Vašek immerhin eine Verbindlichkeit, die mit guten Ratschlägen allein nicht zu haben wäre. Ihre Adressaten sind anscheinend Manager, Führungskräfte aller Art (im Gastbeitrag einer sogenannten Future-of-Work-Expertin ist von „leader:innen“ die Rede, in welcher Sprache auch immer dieses Wort existieren mag), jene Leute also, die spüren, ahnen oder wissen, dass sich auch in ihren Betrieben alles ändern wird.
Nur was das eben ist, wissen auch die Redakteure der Zeitschrift „human“ nicht. Wie sich das Schreiben, der Journalismus wandeln wird (oder eben hoffentlich nicht), das haben sie im Heft ja ausprobiert. Was die KI aber in einer Behörde, einem Schuhgeschäft oder bei einem Autozulieferer umstürzen wird, das sind ja ganz verschiedene Dinge. Was „human“ als Strategie vorschlägt, ist sicher nicht ganz falsch, dass man nämlich seine Ziele definieren, sich an einem ethischen Koordinatensystem orientieren und auf jeden Fall immer weiterlernen und das eigene Urteilsvermögen schulen soll – ob man damit allein aber schon fit ist für die Ankunft der KI am eigenen Arbeitsplatz und immun gegen das eigene Überflüssigwerden: Das ist allerdings die Frage, die das Heft eher aufwirft, als dass es sie beantworten könnte.
Wenn du denkst, du denkst
Auf den vorderen Seiten liest sich das Heft wie die Verschriftlichung eine jener folgenlosen Führungskräfte-Schulungen, in denen die immer gleichen Nullworte und Begriffssimulationen zu immer neuen, immer öderen Merksätzen zusammengesetzt werden – Ethos, Transparenz, Nachhaltigkeit, Leadership. „Wir müssen selbst intelligenter werden, um die Kooperation mit KI zu bewerkstelligen.“ Wer hätte das gedacht.
Zum Glück für den Leser wird es auf den hinteren Seiten lebensnäher, praktischer, ein bisschen verspielter – eine Haltung, die man dem ganzen Heft gewünscht hätte. Da spricht der Psychologe Gerd Gigerenzer über die Nichtsimulierbarkeit menschlicher Intelligenz; da beobachtet eine Autorin sich selbst bei dem Versuch, sich mit ihrem KI-Assistenten anzufreunden. Und das Gespräch, in dem Thomas Vašek versucht, der KI ein paar Sätze der Selbstreflexion zu entlocken, ist klug und unterhaltsam: Da erklärt die Software zum Beispiel, warum sie sich das Fahrradfahren nicht vorstellen kann.
Was dann doch eine sehr humane Lehre des Heftes ist: Man sollte viel mehr miteinander sprechen. Auch wenn das Gegenüber eine Software ist.
„human“ hat 98 Seiten und kostet 12,80 Euro.