Es war ein „genehmigter Langzeitausgang über die Weihnachtsfeiertage“, aus dem der damals 31 Jahre alte Häftling der Justizvollzugsanstalt Euskirchen nicht zurückkehrte. Seit einem Jahr hatte er sich im offenen Vollzug befunden, die Langzeitausgänge waren nach Angaben der Gefängnisleiterin dazu gedacht, dass er sich wiedereingliedern könne. Der laut Medienberichten wegen Drogendelikten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte Mann hätte bei positiver Sozialprognose ein Jahr später auf freien Fuß kommen können.
Doch er kehrte am 26. Dezember 2023 nicht, wie er gemusst hätte, ins Gefängnis zurück. Seitdem ist er auf der Flucht, die Polizei fahndet nach ihm. Die „Bild“-Zeitung berichtete im Januar 2024 als erste über den Fall, nannte den Einunddreißigjährigen einen „Luxus-Knacki“, der bei Freigängen in Düsseldorfer Edel-Boutiquen einkaufen gegangen und im Rolls-Royce herumgefahren sei. Er habe sich nach Dubai absetzen wollen, habe es aber bisher nur bis nach Istanbul geschafft. Zudem schrieb die Zeitung, dass der dem Rockermilieu zuzurechnende Häftling im Gefängnis und bei Freigängen weiter Drogengeschäfte betrieben habe – die Texte bebilderte sie mit Fotos des Mannes in besagtem Auto oder mit einer angeblich teuren Uhr am Handgelenk.
Kein Prozess aus dem Verborgenen heraus
Das wollte der rechtskräftig Verurteilte nicht hinnehmen. Trotz der Tatsache, dass er seine Strafe nicht abgesessen hat und sich den Behörden nach wie vor durch Flucht entzieht, beauftragte er einen Rechtsanwalt, der vor Gericht gegen die Berichterstattung vorgehen sollte. Dies tat der Anwalt bei der Pressekammer am Landgericht Frankfurt – der Standort ist bei Pressesachen für den Antragsteller frei wählbar.
Dort verlangte der Flüchtige eine einstweilige Verfügung, nach der es die „Bild“-Zeitung zu unterlassen habe, Fotos von ihm und die Äußerung zu veröffentlichen, er habe im Gefängnis und bei Freigängen mit Drogen gehandelt. Diesen Antrag hat nun nach dem Landgericht in zweiter Instanz auch das Oberlandesgericht Frankfurt zurückgewiesen.
Um ordnungsgemäß Klage erheben zu können, brauche es eine ladungsfähige Anschrift, entschied der für das Presserecht zuständige Senat auf die Beschwerde des Mannes hin. Eine solche Anschrift anzugeben dokumentiere nicht nur die „Ernsthaftigkeit des Begehrens“, sondern auch die Bereitschaft, „sich etwaiger mit dem Betreiben des Prozesses verbundener nachteiliger Folgen zu stellen“. Aus dem Verborgenen heraus könne man jedenfalls keinen Prozess führen.
Tatsächlich nannte der Mann in seinem Antrag dem Oberlandesgericht zufolge die Justizvollzugsanstalt als Anschrift – obwohl er auf der Flucht vor den Behörden ist. Die Richter erkannten zwar an, dass bei konkreter Verhaftungsgefahr in bestimmten Konstellationen ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung einer Adresse bestehe. Aber eine solche Voraussetzung bestehe hier nicht: Der Mann sei rechtskräftig verurteilt, außerdem überwiege wegen möglicher Kostenforderungen im Verlauf des Verfahrens das Interesse, Kenntnis von einer ladungsfähigen Anschrift zu erhalten.
Wolle er ein kostenpflichtiges Eilverfahren anstreben, entschieden die Richter daher, sei es ihm möglich und zumutbar, entweder eine ladungsfähige Anschrift im Inland anzugeben oder in die Justizvollzugsanstalt zurückzukehren. Auch von seinem Anwalt könne verlangt werden, sich für etwaige Kosten zu verbürgen. Ansonsten könne er ein Verfahren ohne jegliches finanzielles Risiko führen, sodass allein die Gegenseite das Risiko trage. „Das ist nicht hinzunehmen.“