Es gab einmal diesen großen FC Bayern München, der für seine wütende und machtvolle „Reaktion“ gefürchtet war, die zuverlässig auf Niederlagen folgte. Deutliche Siege geprägt von einer Dominanz, die dann gerne als Demonstration der Stärke beschrieben wurde.
Doch von dieser Kraft ist nicht mehr viel übrig bei den Bayern, die nach Niederlagen in Leverkusen und bei Lazio Rom nun auch 2:3 beim VfL Bochum verloren. Der Rückstand auf Bayer Leverkusen ist damit auf acht Punkte angewachsen, Dayot Upamecano flog zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen vom Platz, und die Frage, ob Maßnahmen wie ein Trainerwechsel notwendig sind, ist so drängend wie schon lange nicht mehr. Es ist ein Bild des Niedergangs, das dieser Klub derzeit abgibt.
Momente der Kraftlosigkeit
Dabei waren die Bayern in einer frühen Druckphase schnell in Führung gegangen, nachdem Jamal Musiala den Ball mit einem starken Schuss aus spitzem Winkel in die kurze Ecke gezirkelt hatte (14.). Aber diese Münchner sind derzeit nicht stabil genug, um aus so einem Erlebnis Souveränität zu schöpfen.
Es gehe in Bochum nach den jüngsten Niederlagen darum, „sich rauszuziehen und daraus Kraft zu ziehen“, hatte Trainer Thomas Tuchel vor der Partie gesagt. „Es ist Sport auf dem allerhöchsten Niveau, aber es gehören auch eine positive Grundstimmung und ein Lächeln dazu.“ Was jedoch folgte, waren eher Momente der Kraftlosigkeit ohne Lächeln und Spaß am Spiel. Jedenfalls bei den Bayern.
Zunächst traf Takuma Asano zum 1:1, nachdem sowohl Musiala als auch Joshua Kimmich entscheidende Zweikämpfe verloren hatten. Auch beim 1:2 fehlte es den Münchnern an Entschlossenheit, als insbesondere Matthijs de Ligt VfL-Verteidiger Keven Schlotterbeck nach einer Ecke zu viel Platz ließ und so das Bochumer Führungstor ermöglichte (44.).
Eventuell spielte die erste, rund zehn Minuten lange Protestunterbrechung eine Rolle beim Kippen des Spiels zugunsten des VfL. Eine Drohung auf einem Transparent gab es im Gästeblock: „Wir kennen den Dreipunkteplan, und bald kennt ihn ganz Deutschland“. Dieser Plan gibt vor, unter welchen Umständen ein Spiel nach Zuschauerausschreitungen abgebrochen werden kann.
Kane vergibt kläglich
So weit ließen es die Widerständler trotz einer weiteren Protestunterbrechung in der zweiten Halbzeit nicht eskalieren, und die Bayern hätten vor der ersten Pause schon eine komfortablere Führung herausspielen können. Doch Harry Kane ist im derzeit nicht der unglaubliche Stürmer, der er vor wenigen Wochen gewesen war. Unbedrängt hatte der englische Torjäger den Ball aus bester Position am Tor vorbei geschossen (19.).
So konnte der VfL das Spiel drehen, woraufhin sich ein Phänomen beobachten ließ, das es zuletzt immer wieder zu sehen gab, in den Gesichtern von Kimmich, Neuer, Goretzka: Diese Mischung aus Hilf- und Fassungslosigkeit im Angesicht des eigenen Machtverlustes. Wenn die Bayern oder die Nationalmannschaft gegen Gegner, die sie früher leichtfüßig beherrschen konnten, nicht mehr wissen, wie sie ihre individuelle Überlegenheit zur Geltung bringen können.
Die zweite Halbzeit begann mit ein paar engagieren Minuten der Bayern und einer weiteren großen Chance von Asano (46.), aber zwischenzeitlich verflachte das Spiel ein wenig. Nach einer Stunde kam Leroy Sané, der angeschlagen und zugunsten eines Einsatzes von Maxim-Eric Choupo-Moting zunächst auf der Bank gesessen hatte.
Auch Neuzugang Bryan Zaragoza kam (für Kimmich) ins Spiel, der Druck auf Bochum wurde größer, den entscheidenden Fehler machten aber wieder die Münchner, als Upamecano Schlotterbeck beim Verteidigen einer Ecke mit dem Ellenbogen im Gesicht traf und die Gelb-Rote Karte sah. Kevin Stöger verwandelte den folgenden Elfmeter zum 3:1 (78.).
Dennoch wurde es noch richtig spannend, weil Kane nach toller Vorarbeit des jungen Mathys Tel das 3:2 gelang (87.) und der beste Torjäger der Liga auch noch eine weitere große Chance vergab (90.+3.). Aber am Ende der aufregenden Nachspielzeit jubelten die Bochumer, die mit großer Hingabe verteidigt und sehr klug gekontert hatten.