Spanien, Irland und Norwegen werden Palästina als Staat anerkennen. Das teilten die Regierungschefs der Staaten am Morgen mit. Die Anerkennung soll demnach zum 28. Mai erfolgen.
„Die Palästinenser haben ein grundlegendes, unabhängiges Recht auf einen eigenen Staat. Sowohl Israelis als auch Palästinenser haben das Recht, in Frieden in getrennten Staaten zu leben. Es kann keinen Frieden im Nahen Osten ohne eine Zweistaatenlösung geben“, hieß es in einer Pressemitteilung der norwegischen Regierung.
Der irische Premierminister Simon Harris sprach bei der Ankündigung in Dublin von einem „historischen und wichtigen Tag für Irland und für Palästina“. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte den Schritt im Parlament an und warf dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten in „Gefahr“ zu bringen.
Israel ruft Botschafter zurück
Der israelische Außenminister Israel Katz rief umgehend die Botschafter seines Landes in Irland und Norwegen zu Beratungen zurück. „Ich sende eine klare und unmissverständliche Botschaft an Irland und Norwegen: Israel wird angesichts derjenigen, die seine Souveränität untergraben und seine Sicherheit gefährden, nicht schweigen“, schrieb Katz auf der Plattform X zu der Entscheidung der beiden Länder.
„Die heutige Entscheidung sendet eine Botschaft an die Palästinenser und die Welt: Terrorismus zahlt sich aus“, so Katz. Dieser Schritt sei eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Andenken der Opfer des 7. Oktober, als die islamistische Hamas mit ihrem Terrorangriff in Israel ein Massaker mit mehr als 1200 getöteten Israelis verübte. „Israel wird nicht schweigen – es wird weitere schwerwiegende Folgen haben“, schrieb Katz. „Wenn Spanien seine Absicht umsetzt, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, wird es ähnliche Schritte geben.“
Die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkennt Palästina inzwischen als Staat an. Das gilt jedoch nicht für die wichtigsten westlichen Nationen wie die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auch Deutschland setzt sich für eine Zweistaatenlösung ein, sieht die Anerkennung Palästinas jedoch als Ergebnis direkter Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien.
Der irische Ministerpräsident Simon Harris und die Spitzen der Partnerparteien seiner Koalitionsregierung, Außenminister Micheál Martin (Fianna Fáil) und Umweltminister Eamon Ryan (Grüne), waren morgens um acht vor den Sitz der Regierung in Dublin getreten, um dort die Entscheidung der Regierung zu verkünden. Harris legte Wert darauf, dass Irland dabei im Einklang mit Spanien und Norwegen handele, und stellte in Aussicht, dass weitere europäische Länder folgen werden.
Er erinnerte daran, dass eine Zweistaatenlösung vor drei Jahrzehnten im Mittelpunkt des Osloer Friedensprozess gestanden habe; diese Lösung aber gegenwärtig weiter entfernter scheine denn je. Harris sagte, Irland wolle mit „diesem wichtigen politischen Schritt“ der Zweistaatenlösung wieder näherkommen.
Außenminister Martin sagte, die Ankündigung des Staates Palästina sei „ein klarer und unverrückbarer Ausdruck unserer festen Überzeugung, dass es im Nahen Osten keinen Frieden geben kann, solange die Völker Palästinas und Israels nicht die gleichen Rechte der Selbstbestimmung, Staatlichkeit, des Friedens, der Sicherheit und Würde genießen“. Das Prinzip der Gleichheit sei die Grundlage für Gerechtigkeit, für friedliches Zusammenleben und für eine bessere Zukunft, sagte Harris. Weil dieses Prinzip im ganzen Nahen Osten attackiert werde, habe sich die Regierung zu ihrem Schritt entschlossen.
Irlands Regierungschef erinnert an die eigene Geschichte
Die irische Entscheidung zur Anerkennung eines palästinensischen Staates leitet sich auch aus Motiven der irischen Geschichte ab. Harris erinnerte gleich zu Beginn seiner Ansprache auf den Stufen des Regierungssitzes an den 21. Januar des Jahres 1919, an dem der irische Staat seine Unabhängigkeit von Großbritannien erklärte. Damals sei das eine irische Bitte an die Welt gewesen um Anerkennung des Rechts auf Unabhängigkeit, auf Selbstbestimmung und Gerechtigkeit. Heute unternehme Irland im Bewußtsein seiner eigenen Geschichte diesen Schritt gegenüber Palästina.
Harris und Martin beteuerten beide, die Entscheidung der irischen Regierung sei nicht gegen Israel gerichtet; beide anerkannten ausdrücklich Israels Anspruch auf eine sichere Existenz in den eigenen Grenzen, beide verurteilten nochmals den Terrorangriff der Hamas auf Israel und verlangten die Freilassung der israelischen Geiseln. Der Grünen-Vorsitzende Ryan betonte, der irische Schritt stelle „keine Billigung der Hamas“ dar.
Der spanische Ministerpräsident Sánchez sagte am Mittwoch im Parlament: „Wir sind gezwungen zu handeln: In der Ukraine wie in Palästina, ohne zweierlei Maß anzulegen.“ Er spracht von einem „Massaker“ in Gaza. „Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat kein Friedensprojekt für Palästina, der Kampf gegen die Hamas ist legitim, aber Netanjahu verursacht so viel Schmerz, dass die Zweistaatenlösung ernsthaft gefährdet ist.“
Die internationale „Passivität“ müsse ein Ende haben. Spanien schließe sich den mehr als 140 Staaten an, die diesen Schritt schon gegangen seien; er hoffe, dass andere Staaten bald folgen werden. Diese Anerkennung richte sich „gegen niemanden, weder gegen Israel, ein Volk, das Spanien schätzt und respektiert“, noch gegen die Juden, ein „bewundertes Volk“, noch gegen die Hamas.
Innenpolitischer Druck auf Sánchez in Spanien
Ursprünglich war die Rede davon gewesen, dass Spanien und andere Staaten Palästina schon am 21. Mai anerkennen würden, die Koordination war jedoch schwierig. Sánchez’ sozialistische PSOE-Partei erhofft sich für den beginnenden Europa-Wahlkampf einen Schub. Laut einer Umfrage des spanischen Elcano-Instituts sind 78 Prozent der Befragten für eine Anerkennung Palästinas und 60 Prozent für die Zweistaatenlösung.
In Spanien war schon seit Wochen der politische Druck auf Sánchez gewachsen, endlich zu handeln und den Palästinenserstaat anzuerkennen. Dem linken Koalitionspartner Sumar geht die Politik des sozialistischen Regierungschefs schon lange nicht weit genug. Sumar hatte Ende 2023 die sofortige Anerkennung Palästinas durch Spanien zur Bedingung für den Beitritt zur neuen Regierungskoalition gemacht. An Demonstrationen gegen Israel und für das Ende des Gazakriegs beteiligten sich immer wieder Minister von Sumar und der Linkspartei Podemos. An mehr als einem Dutzend Universitäten gibt es inzwischen Protestcamps, die für eine Einstellung der Beziehungen demonstrieren. Am Mittwoch lobte Sánchez ausdrücklich das Engagement der Studenten.
Das spanische Parlament hatte schon 2014, als die konservative PP regierte, mit großer Mehrheit in einer nicht bindenden Entschließung für die Anerkennung Palästinas gestimmt. Dazu sollte es aber erst nach einer Verhandlungslösung zwischen den Konfliktparteien und in Koordination mit den internationalen Partnern kommen. Deshalb genügt es, dass das Kabinett am kommenden Dienstag nur noch entscheidet, die Entschließung in Kraft zu setzen. Spanien hat bereits angekündigt, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, und erlaubte in der vergangenen Woche einem Schiff mit Rüstungsgütern nicht, in Cartagena anzulegen.