Wer an Onlinehandel denkt, denkt an Amazon . Womöglich noch an Ebay und Otto . Aber an Kaufland, den wie Lidl zur Schwarz-Gruppe zählenden Lebensmittelmarkt mit Sitz im baden-württembergischen Neckarsulm? Wohl eher nicht. Gerald Schönbucher möchte das ändern. „Wir wollen, dass der Kunde an uns denkt, wenn er im Internet Non-Food-Produkte kauft“, sagt der Chef des virtuellen Marktplatzes Kaufland .de. Und das Ziel hat der Manager nicht nur für Deutschland, Tschechien und die Slowakei, sondern bald auch für Polen und Österreich. Dort will der baden-württembergische Konzern sein Onlineangebot im Spätsommer ausrollen, wie das Unternehmen nun der F.A.Z. bestätigte.
Das Konzept von Kaufland.de gleicht dabei Modellen, wie sie auf dem Marketplace von Amazon oder beim Festpreisgeschäft von Ebay funktionieren: Externe Händler bieten Produkte auf eigene Rechnung und zu selbst gesetzten Preisen an. Kaufland.de erhält für Vermarktung, Abwicklung der Zahlungen und Service eine Gebühr. Vor allem kleinere Händler haben bei ihren Onlineshops oft Probleme, im Internet für die notwendige Sichtbarkeit für ihre Angebote bei Google, bei Instagram und bei Facebook zu sorgen.
Das übernehme dann Kaufland.de. Die Gebühr, die die Händler dafür an den Marktplatz zahlen, richtet sich nach den zu erzielenden Margen in den verschiedenen Produktkategorien und reicht von 6,5 Prozent für Elektronikprodukte bis zu 15 Prozent für Schmuck. „Der Händler muss aber erst an uns etwas zahlen, wenn es wirklich zu einem Verkauf kommt“, erläutert Schönbucher. Um die Qualität des Marktplatzes sicherzustellen, kontrolliert Kaufland.de die Händler fortwährend: Sowohl Lieferzeiten als auch Servicequalität werden geprüft und bei wiederholten Verstößen mit Sanktionen belegt, die bis zu einem Ausschluss von der Plattform führen können.
„Amazon hat 20 Jahre Vorsprung“
Die Lieferung von Lebensmitteln und vor allem von frischen Produkten plant das Unternehmen mit dem Online-Marktplatz nicht, am Sortiment der Supermarktfilialen ändert sich durch den Ausbau und die Expansion von Kaufland.de nichts. Die größte Veränderung ist, dass die Nutzer in der App und auf der Website nun sowohl Angebote aus den Filialen von Wurst über Käse bis Melonen als auch Non-Food-Produkte sehen, die von externen Händlern auf dem Marktplatz angeboten werden.
Den Vorwurf, mit seiner Plattform gemeinsam mit anderen Online-Marktplätzen zu den Totengräbern florierender Innenstädte zu gehören, weist der Chef von Kaufland.de zurück. „Wenn sie verkaufen wollen, helfen wir mit dem Onlinegeschäft Händlern, die in der Innenstadt einen Laden haben und deren Kundenfrequenz sinkt“, sagt Schönbucher. Schließlich werde der Onlinehandel perspektivisch langfristig weiter zunehmen.
Grund seien aus Endkundensicht Vorteile wie die große Auswahl und die große Transparenz bei den Preisen. „Händler sind bestrebt, den Preis attraktiv zu setzen, weshalb bei uns in der Regel eine Preisanpassung nach unten stattfindet“, erklärt der Online-Experte weiter. Hürden wie die Angst, dass die Ware trotz Bezahlung nicht ankommt, verlieren zudem zunehmend an Bedeutung. „Der Kunde zahlt an uns, und der Händler erhält erst das Geld, wenn die Ware beim Kunden und der zufrieden ist.“
Handelsvolumen schon bei mehr als einer Milliarde Euro?
In Deutschland bieten auf Kaufland.de rund 11.000 Händler mittlerweile 45 Millionen Produkte in mehr als 6400 Kategorien an, 32 Millionen Nutzer besuchen den Marktplatz jeden Monat. Zu genauen Umsatzzahlen äußert sich Schönbucher nicht. Auch den Gewinn verschweigt der Kaufland.de-Chef, allerdings sei der Geschäftsbereich, der rund 850 Mitarbeiter beschäftigt und in der Schwarz-Gruppe zur Sparte Schwarz Digits gehört, in Deutschland profitabel.
Branchenexperten schätzen das jährliche Handelsvolumen, das über Kaufland.de abgewickelt wird, auf etwas mehr als eine Milliarde Euro. Im Vergleich zum Marktführer Amazon ist das noch sehr wenig. Denn über die Plattform des US-Konzerns laufen nach Zahlen des Handelsverbands Deutschland (HDE) 56 Prozent des deutschen Onlinehandels, der 2024 nach HDE-Prognosen um 3 Prozent auf rund 87 Milliarden Euro steigen wird. „Amazon hat 20 Jahre Vorsprung“, sagt Schönbucher. In Märkten wie Deutschland sei die Wahrscheinlichkeit sehr gering, Amazon einzuholen oder gar zu überrunden.
In Tschechien und der Slowakei sieht die Situation anders aus. Vor gut einem Jahr dort gestartet, strebt Kaufland.de dort perspektivisch die Marktführerschaft an – auch deshalb, weil Amazon dort nicht mit einem eigenen Auftritt präsent ist. „Wir haben gesehen, dass unser Konzept in Tschechien und in der Slowakei, wo wir vor einem Jahr gestartet sind, funktioniert hat, Reichweite und Händlerzahlen sind gut“, sagt Schönbucher.
In der Slowakei bieten 4200 Händler 6,5 Millionen Produkte auf Kaufland.de an, in Tschechien sind es 4700 Händler mit 5,9 Millionen Produkten. Kaufland.de sei in den beiden Ländern nicht zuletzt deshalb erfolgreich gewesen, weil das Unternehmen dort relevante Händler auf den Marktplatz gebracht habe, die vorher mit ihren Produkten online nicht präsent gewesen waren.
Diesen Erfolg will Kaufland.de nun in Polen und in Österreich wiederholen. Grundlage für die Expansion soll der Kaufland Global Marketplace sein, der für Tschechien und die Slowakei aufgebaut worden ist und mit dem das lokale Marketing, die Kundensprache und die Beschreibung der Produkte sehr einfach auf neue Länder übertragen werden kann, wie Schönbuchner beschreibt. In Polen sei Kaufland zudem eine bekannte Marke, immerhin ist der Mutterkonzern dort mit mehr als 240 stationären Lebensmittelmärkten vertreten. In Österreich wird es für Gerald Schönbucher und Team schwieriger. Die Alpenrepublik ist das erste Land, in das Kaufland.de expandiert, in dem es keine Supermärkte mit dem markanten rot-weißen Kaufland-Logo über der Tür gibt.