„Aus rechtlichen Gründen kann dieser Teil der Sendung leider nicht gezeigt werden.“ Diesen Satz bekommt zu lesen, wer in der ORF-Mediathek versucht, einen Teil der Sendung „Zeit im Bild“ (ZiB) vom 15. August abzurufen. Dahinter verbirgt ein Beitrag mit dem Titel „Korruption in der Ukraine“ des ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz. Er enthält zwei Videos, die illustrieren sollten, dass nicht alle ukrainischen Männer bereit seien, freiwillig für ihr Land zu kämpfen, und wie dieser Umstand zu Korruption führe.
Wie die österreichische Zeitung „Der Standard“ berichtet, meldeten Zuschauer nach dem Beitrag auf X (ehemals Twitter) erste Zweifel an. Demnach zeigten die Videos ganz andere Situationen als im Beitrag behauptet. Nicht Fahnenflüchtige seien zu sehen, sondern die Festnahme eines Agenten des russischen Geheimdienstes FSB in Odessa und die Abweisung einer Person an der Grenze. Andre Wolf, Autor der Faktencheck-Plattform Mimikama, schreibt auf X: „Habe es selbst geprüft, der @ORF ist da leider russischer #Propaganda voll auf den Leim gegangen.“
Beim ORF hielt man jedoch zunächst dagegen. Gegenüber dem „Standard“ erklärte der Sender: „Dem ORF ‚russische Propaganda‘ zu unterstellen, ist absurd und richtet sich von selbst. Die angesprochenen Videos, die auch von einer Vielzahl europäischer TV-Sender gezeigt wurden, hat der ORF über eine verlässliche und vertrauenswürdige Quelle erhalten.“
Zwei Tage später, am Donnerstag, meldete sich der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, auf X zu Wort: Berichterstattung „mit Videos im falschen Kontext“ sei „zweifelsohne“ eine Manipulation. Er habe sich an den Sender gewandt, „eine Richtigstellung in #ZIB wird erwartet“.
Am Donnerstagabend gab der ORF den Fehler zu: „Weiterführende Recherchen des ORF und eine nochmalige Überprüfung haben ergeben, dass die angesprochenen Videos aus der Ukraine nicht den in der ‚Zeit im Bild‘ vom 16. August transportierten Inhalten entsprechen, was der ORF außerordentlich bedauert“, heißt in einem Beitrag des offiziellen ORF-Accounts auf X. Wenn Fehler gemacht würden, „müssen sie als solche benannt und korrigiert werden“. Der ORF werde das in „Zeit im Bild“ tun und den „Beitrag über die Ukraine-Videos richtigstellen“. Darüber hinaus wolle man den Vorfall zum Anlass nehmen, „sich on-air mit dem Thema Fake-News im Informationskrieg auseinanderzusetzen“.
In seinem Mimikama-Beitrag zu dem Vorfall beim ORF weist Andre Wolf noch einmal darauf hin, dass die Logik der sozialen Medien der Verbreitung solcher oft lediglich in Titel, Zeit und Ort umgewidmeten Videos, die in sich keine Manipulation enthalten, gewaltigen Vorschub leistet: „Ein falsch kontextualisiertes Video kann sich viral verbreiten und Zehntausende, wenn nicht Millionen erreichen, bevor es überhaupt als Fake identifiziert wird.“ Darauf können, wie man sieht, auch professionelle Medien hereinfallen.