Ich bleibe in der zweiten Reihe und arbeite mit anderen an unserem politischen Programm.
Sie waren die Galionsfigur der Linken. Heute sind Sie in einer Partei, die nicht als links bezeichnet werden will.
Das liegt daran, dass den Begriff insbesondere die Parteien benutzen, die Identitätspolitik und Cancel Culture vertreten. Das ist das Gegenteil von links. Die Identitätspolitik will nicht zusammenführen, sondern spaltet die Gesellschaft in verschiedene Gruppen. Jede Gruppe vertritt ihre eigenen Rechte und setzt auf die Ausgrenzung Andersdenkender. Das erinnert an finstere Zeiten.
Statt sich vom linken Label abzuwenden, könnte das BSW für ein neues Verständnis werben, das Aspekte wie Geschlecht und Klasse zusammendenkt, statt sie gegeneinander auszuspielen.
Aber die Vertreter der Identitätspolitik vertreten die Gegenposition, sie wollen die Gesellschaft permanent in angebliche Opfergruppen mit gegensätzlichen Interessen aufteilen. Ich halte es für richtig, von der Gemeinschaft auszugehen.
Die Sprache hat in jeder Kultur eine große Bedeutung. Mit dem Gendern versucht eine kleine Gruppe der Bevölkerung, eine Sprache zu verordnen, die die Menschen nicht wollen. Ich lehne das ab.
Wurden Sie je gezwungen zu gendern?
Mich kann man nicht zwingen.
Wir waren nie gegen’s Regieren. Ich habe darauf hingewiesen, dass viele Wähler unzufrieden waren mit dem, was die PDS in ihrer Regierungszeit alles mitgemacht hatte. Sie hatte Wohnungen privatisiert, im sozialen Bereich gekürzt und den Personalabbau im öffentlichen Dienst vorangetrieben.
Sie haben die Zukunft der eigenen Partei stärker priorisiert als das Regieren.
Eine Partei, die derartige Entscheidungen mitträgt, schadet den Bürgern und verliert viele Wähler. In der Physik lernt man: Das Experiment entscheidet, ob eine Theorie richtig oder falsch ist. Das Experiment der ehemaligen PDS im Berliner Senat zeigte: Soziale Kürzungen und Privatisierungen führen zu einem Einbruch bei den Wahlen.
Wir hatten einen sehr unterschiedlichen Politikstil. Es heißt immer, die ehemalige Bundeskanzlerin hätte als Naturwissenschaftlerin Probleme vom Ende her gedacht. Das hat sie nicht getan. Sie hat Deutschland mit ihrer Migrationspolitik schweren Schaden zugefügt.
Was sind die Gradmesser für erfolgreiche Oppositionsarbeit?
Die Wahlergebnisse. Mein letztes Wahlergebnis als SPD-Vorsitzender mit Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat war 40,9 Prozent. Als ich 2009 Spitzenkandidat der Linken war, waren es 11,9 Prozent.
Sie haben auch immer für sich reklamiert, aus der Opposition heraus die Agenda der Politik zu bestimmen.
Dass das funktioniert, sehen Sie beispielsweise daran, wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz seine Haltung zur Lieferung von Taurus-Raketen relativiert und herumeiert. Nur deutsche Soldaten können die Ziele programmieren. Das BSW hat sofort darauf hingewiesen: Wenn deutsche Soldaten Raketen nach Russland schießen, dann schießen russische Soldaten Raketen nach Deutschland.
Sie haben mehrere Parteien verlassen und sind 1999 überraschend vom Amt des Finanzministers zurückgetreten. Kann man von Ihnen lernen, dass man im richtigen Moment abspringen muss?
Ich bin im Gegensatz zu anderen programmatisch immer in derselben Partei geblieben, in einer Partei, die für Frieden und Abrüstung eintritt und für gute Löhne und Renten. Ich hatte sowohl für den Austritt aus der SPD als auch der Linken gute Gründe. Ich sage immer: Wenn ein Skat-Klub beschließt, Kegelklub zu werden, dann kann man das mitmachen. Aber man muss es nicht.
Mit Gerhard Schröder hatten Sie sich zerstritten. Inzwischen reden Sie wieder miteinander. Wie kam es dazu?
Wir haben uns nach 25 Jahren wieder getroffen und ausgesprochen. Die Themen, die kontrovers sind, insbesondere die Agenda 2010, haben wir ausgespart.
Haben Sie versucht, Herrn Schröder für das BSW zu gewinnen?
Viele Arbeiter wählen in Deutschland AfD, obwohl deren Programm ihre Interessen massiv schädigt – das ist unsere Herausforderung.
Wird das BSW niemals mit der AfD koalieren?
Das BSW ist programmatisch von der AfD am weitesten entfernt. Neuerdings gibt es dort große Sympathien für die Kettensägenpolitik des argentinischen Präsidenten Milei, der die Armutsquote auf über 50 Prozent erhöht hat. Die AfD steht, mit Ausnahme der Haltung zur Ukraine, der CDU oder der FDP am nächsten. Sie ist für weitere Aufrüstung und für Waffenlieferungen an Israel trotz der ungeheuerlichen Verbrechen der israelischen Armee im Gazastreifen. Wir vertreten in der Außenpolitik dezidiert andere Positionen als alle anderen Parteien. Deren Positionen zeugen von einer Unfähigkeit zu Empathie.
Hat das BSW Empathie für die Ukrainer?
Yes, that is why it advocates a ceasefire and peace negotiations to stop the deaths of people and the destruction of cities and villages. After the loss of religion, Western societies are characterized by nihilism. Pity is feigned and serves propaganda. Mainstream people regret the death of the Ukrainians but not the Russians, the deaths of the Israelis but not the Palestinians. We call ourselves the Christian West, but many have forgotten that charity is at the heart of the Christian religion.
How should Ukraine be able to negotiate with Moscow so that it can exist as an independent state free from Russian threats?
By getting security guarantees. However, Ukraine is now an oligarchy and increasingly relies on external donations. It is a state with limitless corruption without truly democratic structures. Independent parties and media are banned. It will take a long time for Ukraine to become a democratic and independent state.
Are you claiming that Ukraine is not an independent state?
That's obvious.
From your point of view, was it ever?
Maybe we could talk about it before the war.
Before the Russian invasion in 2022 or before the annexation of Crimea in 2014?
More likely before 2014. When it comes to Ukraine, the German public ignores the principle: “If you don’t want someone to do it to you, don’t do it to anyone else.” Does this mean that the American activities on the Russian-Ukrainian border are in? to bring harmony? The CIA spy bunkers, the bio-labs? Anyone who considers all of this to be permissible would have to accept that Russia is placing missiles on the US border and China is running biological laboratories in Mexico. Until we give up our double standards, we are incapable of geopolitics.
The Kremlin spreads the myth about organic laboratories without providing any evidence. They are only working on NATO, which caused this war. Does Russian imperialism not matter to you?
The “fairy tale of the organic laboratories” was spread by Victoria Nuland, the US Deputy Secretary of State. Great powers are imperialist, that's right, and that also applies to Russia. According to former President Jimmy Carter, the USA is the most warlike nation in the history of the world. Do you know how many military interventions the US has launched in the past 30 years? 251, says the US Congressional Research Service.
We are currently talking about the country that is waging war against Ukraine.
Former British Prime Minister Boris Johnson has called the Ukraine war a proxy war. It is a victim of the geostrategic conflict between the USA and Russia, and these two powers also decide on the end of the war.
Back to BSW. What is your goal in the federal election?
To enter the Bundestag with a strong faction. It would be nice if people couldn't get past us anymore.
That a similar situation will arise as after the elections in the East German states, in which we were needed to form a government. Then we would have leverage to implement important changes: low energy prices and a halt to deindustrialization, combined with a major infrastructure program. We would advocate for a pension system like Austria's, more non-profit housing and more doctors and teachers. Above all, we would prevent Germany from being drawn into war.
How often have you been the top candidate of a party?
Believe it or not: 13 times. I know what pressure you are then exposed to.
Do you sometimes worry about your wife?
Yes, I hope she gets through all the stress.
How do you survive election campaigns?
You have to be physically fit. And you need freedom. It's not just about jogging or cycling. When you read a good novel, you are in another world.