Nach der Kabinettssitzung am Donnerstagabend war Schluss für António Costa. Acht Jahre lang war der Sozialist portugiesischer Ministerpräsident. Einen „Zauberer“ nannten ihn manche, andere einen „Sonnyboy“, weil er meistens lächelte. Als Krisenmanager und Brückenbauer hatte er sich auch in Brüssel Ansehen erworben. Jetzt sind Costa und seine Regierung bis zur Neuwahl am 10. März nur noch geschäftsführend im Amt.
Die Korruptionsermittlungen im Zuge der „Operation Influencer“ hatten Anfang November ein Beben verursacht, das Portugal erschütterte und Costa zu Fall brachte. Er regierte seit 2015, obwohl damals seine sozialistische Partei (PS) gar nicht die Wahl gewonnen hatte. Nach den mehr als 40 Hausdurchsuchungen und fünf Festnahmen am 7. November hatte Costa sofort seinen Rücktritt angeboten. Er selbst soll von der Untersuchung des Obersten Gerichtshofs gegen ihn überrascht gewesen sein. Sein Stabschef, sein wichtigster Berater sowie drei weitere Personen waren festgenommen worden.
Aber bald stellte sich heraus, dass die Ermittler nicht nur schlampig, sondern möglicherweise auch voreilig gehandelt hatten und der Ministerpräsident wohl eher eine Randfigur sein könnte. Die Wahl könnte am Ende sogar die rechte Opposition an die Regierung bringen. Der portugiesische Verfassungsrechtler Vital Moreira, der einst für die Sozialisten im Europäischen Parlament saß, sprach nicht nur von einer „Pseudountersuchung“, sondern von einem „Staatsstreich“, die dem Staatspräsidenten den schon lange gesuchten Vorwand geliefert habe, die Wahlen vorzuziehen.
Der Präsident musste schnell reagieren
Die Staatsanwaltschaft musste bald schwere Verfahrensfehler eingestehen. Statt um mutmaßliche Korruption könnte es nur um Einfluss- und nicht Vorteilsnahme bei der Vergabe von Lizenzen für den Abbau von Lithium, „grünen“ Wasserstoff und ein riesiges Datenzentrum gehen. Manche fragen sich, ob es letztlich nur grenzwertige Lobbyarbeit gewesen sein könnte. Der angebliche Beweis über die Verstrickung Costas beruht zum größten Teil auf der fehlerhaften Abschrift eines abgehörten Telefongesprächs. Es zeigte sich, dass es nicht um ihn, sondern um seinen Wirtschaftsminister gegangen war, der António Costa Silva heißt. In einem anderen Telefonat wurde ein António erwähnt, was ein in Portugal weit verbreiteter Vorname ist.
Die fünf festgenommenen Personen wurden nach wenigen Tagen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Das zuständige Gericht sah keine Hinweise auf „Gegenleistungen für konkretes Verhalten“. Zwei von ihnen mussten eine Kaution leisten und dürfen Portugal nicht verlassen. Einer davon ist Costas entlassener Stabschef, in dessen Büro mehr als 75.000 Euro versteckt waren; aber auch er wird inzwischen nicht mehr der Korruption bezichtigt. Der ebenfalls festgenommene Bürgermeister der Hafenstadt Sines, wo das Datenzentrum geplant ist, zählt nicht mehr zu den Verdächtigten.
Doch Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa musste im November schnell reagieren. Er hätte Costas PS, die die absolute Mehrheit hat, beauftragen können, eine neue Regierung unter neuer Führung zu bilden. Stattdessen kommt es zu vorgezogenen Wahlen. Regierung und Parlament ließ Rebelo de Sousa zunächst weiterarbeiten, damit sie den Staatshaushalt verabschieden und politisch in Gang setzen konnten. Das Budget sieht eine Senkung der Einkommensteuer und eine Erhöhung der Renten um mehr als fünf Prozentpunkte vor. Mit der Kabinettssitzung hatte Costas Regierung ihre Pflicht getan und führt nur noch die Geschäfte weiter; am 15. Januar wird das Parlament nach weniger als zwei Jahren aufgelöst.
Von der Krise konnte jedoch Costas wichtigster Rivale, die konservative PSD-Partei, nicht wirklich profitieren. Laut einer in der Zeitung „Público“ veröffentlichten Umfrage ging die Unterstützung für die Sozialisten (28 Prozent) wie die PSD zurück, die mit 29 Prozent jedoch einen knappen Vorsprung hätte. Die rechtspopulistische Chega-Partei könnte auf 16 Prozent wachsen, auch die rechtsliberale IL, sodass das rechte Lager in Führung läge.
Schon jetzt ist klar, dass die europäische Linke mit Costa, der Ambitionen auf eine EU-Karriere hatte, eine ihrer wichtigsten Führungsfiguren verliert. In Spanien schaffte es zwar gerade der Sozialist Pedro Sánchez mit großer Mühe, seine Minderheitsregierung im Amt zu bestätigen. Aber der Portugiese Costa war neben dem Malteser Robert Abela der einzige Sozialist in Europa, der mit absoluter Mehrheit regierte.