Das Münchner Lenbachhaus hat ein Gemälde des Malers Hans Schöpfer des Älteren (um 1505–1566) an Marei von Saher, die alleinige Erbin des niederländischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker, restituiert. Proaktive Recherchen des Museums ergaben, dass das Werk im Jahr 1940 NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Bei dem Gemälde handelt es sich um ein 1532 von dem altdeutschen Maler Hans Schöpfer in enger Anlehnung an die Porträtkunst Albrecht Dürers und Lucas Cranachs geschaffenes Bildnis des Freisinger Hofmeisters Achaz Busch. Im 16. Jahrhundert gehörte es zur berühmten Münchner herzoglichen Kunstkammer, seit Anfang der Zwanzigerjahre dem jüdischen Kunsthändler Goudstikker in Amsterdam. Nach dem Angriff der Wehrmacht und der Kapitulation der Niederlande am 15. Mai 1940 beschloss Goudstikker, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen, verunglückte aber bei der Überfahrt nach England bei einem nächtlichen Sturz durch eine geöffnete Schiffsluke an Deck tödlich.
Göring persönlich räuberte Goudstikkers Kunsthandlung
Grundlage für die jetzige Rückgabe des Gemäldes sind die Grundsätze der Washingtoner Erklärung von 1998, in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Der Kulturausschuss des Stadtrats der Landeshauptstadt München hatte bereits am 7. März 2024 die Restitution beschlossen.
Bei der tragischen Überfahrt hatte Goudstikker mit sich an Bord das sogenannte „Black Notebook“ geführt, ein kleines schwarzes Ringbuch aus Leder mit einem maschinengeschriebenen Register, in dem er kurz vor der Flucht die Kunstwerke seiner Sammlung beziehungsweise seiner Kunsthandlung aufgelistet hatte. Die Liste in dem Büchlein dokumentiert 1.200 Objekte und diente nach 1945 als wichtigste Quelle und Nachweis von Goudstikkers Eigentum.
Goudstikkers Kunsthandlung in Amsterdam war gegen den Willen der Witwe von Hermann Göring und dem Bankier und Spekulanten Alois Miedl übernommen worden. Im Zuge der Arisierung waren die wertvollen Kunstwerke geraubt und weiterverkauft worden.
Das im „Black Notebook“ unter der Nummer 1.228 aufgeführte „Mansportret“ von Hans Schöpfer wurde von Alois Miedl an den Zwischenhändler Wilhelm Henrich verkauft, der das Gemälde im März 1941 in das Auktionshaus Heinrich Hahn in Frankfurt am Main einlieferte. Dort erwarb ein Frankfurter Kunsthistoriker das Bild im Auftrag von Konrad Schießl, Direktor der Städtischen Museen München. Im gleichen Monat wurde das Gemälde im Inventar der Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus aufgenommen.
Der Rechtstreit um das Bild tobte seit 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Désirée Goudstikker einen Rechtsstreit gegen die Niederlande, der mit einem Vergleich beschieden wurde. Die meisten Werke blieben unrechtmäßig im Besitz von internationalen Institutionen und Museen. Nachdem die Erben der Familie Ende der Neunzigerjahre abermals Anspruch auf ihr Eigentum erhoben, wurden nach langjährigen Verhandlungen und einer entsprechenden Empfehlung der niederländischen „Restitutiecommissie“ über zweihundert Werke restituiert. Weitere Rückgaben einzelner Werke folgten. Die Rekonstruktion und Aufarbeitung der Sammlung und des Kunsthandelsbestands von Jacques Goudstikker wurde in mehreren Forschungsprojekten fortgesetzt, zuletzt von 2019 bis 2022.
Anton Biebl, Kulturreferent der Landeshauptstadt München betonte am Mittwoch: „Es ist absolut richtig, dass die Landeshauptstadt München entschieden hat, das Gemälde „Achaz Busch“ an die Nachkommin der Familie Goudstikker zurückzugeben.“ Was Marei von Saher als Sprecherin der Familie von Jacques Goudstikker mit den Worten bestätigte: „Es ist ermutigend zu sehen, dass das Lenbachhaus das Richtige gegenüber den Opfern der Nazis und ihren Familien tut. Ich bin dem Museum sehr dankbar, dass es das Gemälde von Schöpfer zurückgibt.“