Der Deutsche Presserat hat Beschwerden gegen die Verdachtsberichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) über die Flugblatt-Affäre um den bayerischen Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) als unbegründet zurückgewiesen. An dem veröffentlichten Verdacht, Aiwanger habe in seiner Jugend ein antisemitisches Flugblatt verfasst, habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden, teilte der Deutsche Presserat mit.
Die von der „Süddeutschen“ transportierten Vorwürfe hätten in eklatantem Widerspruch zu Aiwangers Ämtern als Wirtschaftsminister und stellvertretender bayerischer Ministerpräsident gestanden. Zwar habe der geschilderte Vorgang bereits 35 Jahre zurückgelegen, und Aiwanger sei damals noch nicht volljährig gewesen. „Jedoch waren die Vorwürfe so gravierend, dass darüber berichtet werden durfte, ohne seinen Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex zu verletzen“, meint der Deutsche Presserat.
Insgesamt seien 18 Beschwerden über die Berichterstattung der „Süddeutschen“ eingegangen. Die Beschwerdeführer hielten der Redaktion demnach unter anderem „Kampagnenjournalismus“ kurz vor der Landtagswahl in Bayern vor. Der Presserat hält jedoch fest, dass Redaktionen über den Zeitpunkt der Berichterstattung selbst entscheiden.
Die Mitglieder des Presserats diskutierten den Angaben zufolge, ob die nur schrittweise Offenlegung des Sachverhalts durch die Redaktion in aufeinanderfolgenden Artikeln die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verletzt haben könnte. Dieses Vorgehen war dem Presserat zufolge unter presseethischen Gesichtspunkten jedoch nicht zu beanstanden, weil der Redaktion von Anfang an hinreichende Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht vorgelegen hätten. Auch eine Vorverurteilung nach Ziffer 13 des Pressekodex liege nicht vor, da die Vorwürfe korrekt als solche und nicht als Tatsachen bezeichnet worden seien, der Betroffene ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe und entlastende Stimmen zu Wort gekommen seien.
Die im Ausschuss des Presserats behandelten Beschwerden betrafen den Angaben zufolge die Artikel „Aiwanger soll als Schüler antisemitisches Flugblatt verfasst haben“, „Das Auschwitz-Pamphlet“ sowie „Lügen, Schweigen, Abtauchen“ und „Söders Dilemma“ in der SZ beziehungsweise auf „sueddeutsche.de“. Sie waren zwischen dem 25. und 28. August erschienen. Der Deutsche Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und ihrer Onlineauftritte in Deutschland.
Hubert Aiwanger hatte während der Affäre bestritten, das von der „Süddeutschen“ angeführte antisemitische Pamphlet, das bei ihm zu Schulzeiten gefunden worden war, verfasst zu haben und sich inhaltlich davon distanziert. Als Autor bekannte sich schließlich sein Bruder, Helmut Aiwanger.