Nach einem dramatischen Zwischenfall mit einem seiner Flugzeuge des Typs 737 Max unternimmt Boeing einen weiteren Schritt, der darauf abzielt, Qualitätsdefizite zu beheben. Das Unternehmen bestätigte am Freitag Gespräche über eine Akquisition seines Zulieferers Spirit Aerosystems. Dafür wäre eine stattliche Summe fällig, Spirit wurde am Freitag an der Börse zum Handelsschluss mit 3,8 Milliarden Dollar bewertet. Nach Bekanntwerden der Verhandlungen war der Aktienkurs um 15 Prozent gestiegen.
Spirit ist 2005 aus Boeing hervorgegangen, würde also im Falle eines Verkaufs zu seiner früheren Muttergesellschaft zurückkehren. Das Unternehmen macht etwa zwei Drittel seines Umsatzes mit Boeing, der Rest entfällt zum größten Teil auf den Boeing-Wettbewerber Airbus. Wie das „Wall Street Journal“ schrieb, erwägt Spirit auch, seine Produktionsstätte in Nordirland, in der Komponenten für Airbus hergestellt werden, zu verkaufen.
Boeing hat schon mehrere Konsequenzen gezogen
Spirit stellt unter anderem Flugzeugrümpfe für Boeing her, und es war ein Rumpfteil, das in den Unfall im Januar involviert war. Damals fiel bei einem Flug von Alaska Airlines mit einer 737 Max 9 kurz nach dem Start ein türgroßes Rumpfteil heraus und hinterließ ein klaffendes Loch in der Kabinenwand. Die amerikanische Flugaufsicht FAA ordnete daraufhin ein Flugverbot für die Maschine an, das sich mehrere Wochen hinzog.
Aus einem vorläufigen Bericht der US-Sicherheitsbehörde NTSB zu dem Unfall ging hervor, dass wohl vier Haltebolzen für das später herausgefallene Rumpfteil fehlten. Das Rumpfteil sei offenbar im vergangenen September im Boeing-Werk in der Nähe von Seattle für Reparaturarbeiten entfernt, aber dann wohl ohne die Bolzen wieder eingesetzt worden. Der Bericht ließ offen, wer genau das Teil entfernt und wieder eingesetzt hat, insofern könnte der Fehler bei Boeing-Mitarbeitern gelegen haben. Unabhängig davon stand Spirit aber schon öfters wegen Qualitätsmängeln in der Kritik.
Boeing hat seit dem Zwischenfall schon eine ganze Reihe von Konsequenzen gezogen. Vor knapp zwei Wochen wurde bekannt, dass Ed Clark seinen Posten als Chef des gesamten 737-Max-Programms mit sofortiger Wirkung abgegeben und das Unternehmen verlassen hat. Boeing hat außerdem einen früheren Admiral der amerikanischen Marine als „Sonderberater“ mit Schwerpunkt auf Qualität eingestellt. Die FAA wiederum kündigte an, sie wolle ihre Aufsicht über die Boeing-Fertigung „aggressiv ausweiten“ und ihre Präsenz in jedem Werk des Herstellers erhöhen.
In seiner Mitteilung am Freitag sagte Boeing: „Wir glauben, die Reintregration des Produktionsbetriebs von Boeing und Spirit Aerosystems würde die Flugsicherheit weiter stärken und die Qualität verbessern.“ Die Übernahme käme einer strategischen Kehrtwende gleich. Denn die Abspaltung der Aktivitäten im Jahr 2005 hatte das Ziel, sich stärker auf die Endmontage zu konzentrieren und die Produktion von Komponenten auszulagern. In einem Gespräch mit dem Fernsehsender CNBC vor wenigen Wochen gab Boeing-Vorstandschef Dave Calhoun aber zu, mit dem Outsourcing womöglich zu weit gegangen zu sein.