Beim Treffen der Energieminister von Bund und Ländern in Wernigerode geht es um drängende Fragen der Wirtschaftspolitik: Der Industriestrompreis steht auf der Tagesordnung, die Netzentgelte sowie die Zukunft der deutschen Solarunternehmen. Ein Randaspekt sorgt vor Beginn der Veranstaltung am Mittwochabend allerdings für noch mehr Aufsehen: Der Wernigeroder Oberbürgermeister Tobias Kascha (SPD) hat für den Abend in das Schloss am nördlichen Hang des Harzes eingeladen. Dort soll sich Vizekanzler Robert Habeck ins Goldene Buch der Fachwerkstadt eintragen.
Gegen diese symbolische Referenz regt sich Widerstand. In den sozialen Medien wird aktuell mit Sprüchen wie „die ganze Sippe da oben soll abdanken“ oder dem Hinweis, dass vor dem Tagungsort „nur ein paar Bullenkutschen“ herumstünden, zum Protest gegen den Grünenpolitiker Habeck aufgerufen. Solche Einlassungen gehören inzwischen zum Alltag. Brisanz erhält die Angelegenheit dadurch, dass sich auch die CDU, die Linke und die Gruppe Haus & Grund/FDP im Stadtrat gegen eine Eintragung des Bundesenergieministers aussprechen.
Örtlicher CDU-Fraktionschef will der Veranstaltung fernbleiben
Der örtliche CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Winkelmann sagt am Telefon, er werde der Veranstaltung im Schloss fernbleiben und stattdessen „an die frische Luft“ gehen. „Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, mit diesem Mann in einem Raum zu sein“, ließ sich Winkelmann bereits vor einigen Tagen zitieren. Zur Begründung verweist Winkelmann auf das Heizungsgesetz, das die Bürger im Osten besonders hart treffe. „Denn hier haben viele bei null angefangen.“
Oberbürgermeister Kascha hält an seiner Entscheidung fest, für Robert Habeck das Goldene Buch aufzuschlagen. Im Stadtrat wurde jüngst darüber diskutiert, die Kompetenzen des Oberbürgermeisters einzuschränken und die Richtlinien für das Goldene Buch zu ändern. Während der Sitzung trat auch die Bundesvorsitzende der Querdenker-Partei „Die Basis“, Skadi Helmert, ans Gästemikrofon und äußerte, Adolf Hitlers Eintragung habe man hernach aus Goldenen Büchern auch wieder streichen müssen.
Zudem stelle sich die Frage, was Habeck speziell für Wernigerode geleistet habe. Diese Frage hätte man aber wohl auch bei Norbert Röttgen oder Jens Spahn stellen können, die sich ebenfalls bereits in Goldene Buch eintrugen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hebt öfters hervor, wie dankbar er Habeck sei, dass dieser mit Milliardensubventionen den Bau der Intel-Fabrik bei Magdeburg ermöglicht hat. „Das wird Strahlwirkung bis Wernigerode haben“, sagt auch Matthias Winkelmann. Er wolle eine Debatte anstoßen, sagte der CDU-Kommunalpolitiker. „Ein Ausgleichsventil für den Frust, der sich angestaut hat.“ Sachsen-Anhalts Wirtschafts- und Energieminister Armin Willingmann (SPD), der in der Stadt wohnt und ihr mit der Veranstaltung einen Dienst erweisen wollte, weist darauf hin, dass Wernigerode für zwei Tage „national im Rampenlicht“ stehe. Als Tourismusstadt solle man dies besser nutzen, „um als gute Gastgeber Lust auf einen Besuch“ zu machen.